Jan Korte, MdB (DIE LINKE) (www.jan-korte.de)

NS-Vergangenheit des BND endlich aufklären

20.01.2011
Jan Korte, DIE LINKE: NS-Vergangenheit des BND endlich aufklären

Die Bundesregierung verweigert weiterhin die Aufarbeitung der braunen Vergangenheit des BND. Sie ist weder bereit über die NS-Verstrickungen im Fall Eichmann aufzuklären, noch die entsprechenden Akten des BND und seines Vorläufers, der »Organisation Gehlen« der Öffentlichkeit und damit auch der Wissenschaft zugänglich zu machen.

Nachdem die Koalitionsfraktionen am Vormittag im Innenausschuss des Bundestages bereits gegen den Antrag der LINKEN »Alle BND-Akten zum Thema NS-Vergangenheit offenlegen« (17/1556) gestimmt hatten, setzte sich die Blockadepolitik des Kanzleramtes auch in der Fragestunde des Bundestags am 19. Januar 2011 weiter fort. Jan Korte hatte in der Fragestunde u.a. Aufklärung darüber verlangt, warum Informationen zum Aufenthaltsort Eichmanns nicht an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden weitergegeben wurden. Weil die Ausführungen von Staatsministerin Maria Böhmer (CDU) völlig unzureichend waren, forderte die LINKE im Anschluss daran eine Aktuelle Stunde. Die Rede von Jan Korte finden sie hier:

Jan Korte (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorweg möchte ich sagen: Würde sich diese Bundesregierung so verhalten, wie es damals Joschka Fischer in diesem Falle muss ich ihn loben mit der Beauftragung einer Studie zur NS-Vergangenheit des Auswärtigen Amtes getan hat, hätten wir uns heute die Debatte hier sparen können, denn dann würden wir wirklich Aufarbeitung leisten.
Am 8. Januar berichtete die Bild-Zeitung, dass die BND-Vorläuferorganisation, die Organisation Gehlen, bereits 1952 wusste, wo sich Adolf Eichmann versteckt hält. Er ist einer der Hauptorganisatoren des Holocaust, der dafür gesorgt hat, dass bis 1945 die Deportationszüge mit Frauen, Kindern und Männern pünktlich in die Vernichtungslager rollten. Übrigens war Hans Globke seit 1953 Chef des Kanzleramtes.
Gut eine Woche später berichtet Der Spiegel, dass Klaus Barbie für den BND gearbeitet hat. Der sogenannte Schlächter von Lyon, so steht es in den Akten, sei von »kerndeutscher Gesinnung« und »entschiedener Kommunistengegner«. - Er war ein Massenmörder, einer der schlimmsten Massenmörder überhaupt, und er arbeitete für den BND.
So läuft es seit einigen Wochen; jede Woche gibt es neue Meldungen. Ich frage mich schon, wo der notwendige Grad der Empörung über diese unfassbaren Vorgänge aufseiten der Regierung und der Koalitionsfraktionen bleibt.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es wäre doch richtig, angesichts der empörenden Vorgänge gemeinsam darüber zu diskutieren, was die angemessene politische Schlussfolgerung wäre. Die politische Schlussfolgerung aus diesen schier unfassbaren Vorgängen kann doch nur in der schonungslosen Offenlegung all dieser Akten liegen, die zum Teil 50 oder 60 Jahre alt sind. Das ist die angemessene politische Schlussfolgerung, die wir ziehen sollten.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich glaube, in der Debatte in den Medien ist die Frage zu kurz gekommen, wie diese Fälle eigentlich auf die Opfer wirkten: Wie wirkte es auf die Opfer, dass jemand wie Eichmann gedeckt wurde, dass jemand wie Barbie im Dienst des BND stand?
In der neuen Biografie über Fritz Bauer, den hessischen Generalstaatsanwalt und großen Sozialdemokraten, steht Folgendes:
»Wie stellt sich diese Sicht auf die frühe Bundesrepublik eigentlich aus der Perspektive des Remigranten, des verfolgten Juden und Sozialdemokraten dar?«
Das ist die entscheidende Frage, um die es hier geht: Welche Schlussfolgerungen ziehen wir, auch im Respekt vor den Opfern?
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich glaube, dass es auch aus einem ganz anderen Grund für den Bundestag wichtig ist, über diese Fragen zu diskutieren: Welche Folgen hatten eigentlich diese Fälle - alle Forschungen in diesem Bereich besagen, dass das nur die Spitze des Eisberges ist - für die Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland, für die Demokratie und den Rechtsstaat? Das ist eine ganz entscheidende Frage.
Das wirkte sich bis in die Justiz hinein aus. Es kam nicht nur zu einer Rückkehr der alten Nazi-Richter in Amt und Würden. In den 50er- und 60er-Jahren wurden selbst die schlimmsten Massenmörder, zum Beispiel der Kommandeur der Einsatzgruppe 8, der für die Ermordung von 15 000 Jüdinnen und Juden verantwortlich war, oder sogar der stellvertretende Lagerkommandant des Vernichtungslagers Majdanek, von deutschen Gerichten nicht als Täter verurteilt, sondern, wenn sie überhaupt verurteilt wurden, als Gehilfen. Man muss sich das einmal vorstellen! Wann, wenn nicht jetzt, ist denn bitte der Zeitpunkt gekommen, dass wir alles dazu offenlegen?
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Heute geht es darum, dass wir Ordnung in diese Debatte bringen. Dazu gehören die Offenlegung aller Akten zu diesem Punkt, der völlig offene Zugang zu den Akten, und zwar nicht nur zu den Akten, die vorher durchgesiebt worden sind. Das hat übrigens auch etwas mit freier Wissenschaft zu tun. Ich glaube, dass alle Bürger in diesem Lande wir hier im Bundestag, aber auch jeder andere draußen auf der Straße und die Wissenschaft, insbesondere die jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die gerade in diesem Bereich in den letzten Jahren hervorragende Arbeit geleistet haben, vor allem aber die Opfer und ihre Angehörigen ein Recht darauf haben, dass hier alles offengelegt wird, dass nichts behindert wird, sondern dass es bei diesen Fragen größtmögliche Transparenz gibt. Ich glaube, das ist jetzt wirklich geboten.
(Beifall bei der LINKEN)
Letzte Anmerkung, die ich machen will: Wir müssen natürlich auch darüber diskutieren, wer die politische Verantwortung für diese Zustände in den 50er- und 60er-Jahren trägt das ist eine wichtige Frage und welche Verantwortung wir hier und heute haben. Ich glaube, dass unsere gemeinsame Verantwortung heute darin besteht, eine ungehinderte Offenlegung aller Unterlagen, die es gibt inklusive der Unterlagen des Kanzleramtes , zu gewährleisten.
Fritz Bauer ist einsam gestorben, weil er allein ermittelt hat, weil er den Auschwitz-Prozess damals fast allein anstrengen musste. Leuten wie Fritz Bauer sollten wir auch im Nachhinein, obwohl sie schon so lange tot sind, unsere Anerkennung zollen. Das können wir, glaube ich, am besten, indem wir alles offenlegen und über diese Geschichte offen miteinander diskutieren.
Schönen Dank.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD))

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