Jan Korte, MdB (DIE LINKE) (www.jan-korte.de)

Rede von Jan Korte zur Einführung des elektronischen Personalausweises

16.10.2008

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

am vergangenen Samstag demonstrierten in Berlin einhunderttausend Menschen, darunter Ärzte, Anwälte, Geistliche, Bürgerbewegte und - ganz allgemein - Nutzer moderner Kommunikationsmittel gegen Überwachungswahn und für einen wirklichen Datenschutz. Auch die Partei und Fraktion DIE LINKE hatten zu dieser Demonstration aufgerufen. Denn unser Anliegen war es, gesellschaftliche Unterstützung für unsere konsequente Haltung im Parlament gegen eine Ausweitung des Überwachungsstaates zu erhalten. Und diese haben wir auf der größten Demonstrationen nach dem Volkszählungsurteil in den 80er Jahren auch bekommen. Neben der Kritik an der Vorratsdatenspeicherung, der geplanten Onlinedurchsuchung und der Verwendung biometrischer Daten in Ausweisdokumenten wurde erneut massive Kritik an dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Einführung eines so genannten elektronischen Identitätsnachweises im Personalausweis geäußert. Diese Kritik teilen wir. Nach den Plänen der Bundesregierung soll 60 Millionen AusweisinhaberInnen ein so genannter E-Personalausweis vor allem aus zwei Gründen verpasst werden:

Zum einen soll der Zahlungsverkehr, vor allem im Internet, für den Inhaber des Ausweises, als auch für den Produktanbieter verbessert werden. Diesem Ansinnen ist erst einmal nicht zu widersprechen. Die hohe Zahl an Betrugversuchen oder tatsächlich stattgefundenem Betrug beim elektronischen Zahlungsverkehr, auch im Internet, bietet ausreichend Grund zur Sorge. Dennoch ist zweifelhaft, ob die vorgeschlagenen technischen Instrumente zukünftig vor Betrugsversuchen oder Identitätsdiebstahl ausreichend Schutz bieten. Eindeutige Belege hierfür wurden dem Bundestag nicht präsentiert.
Am morgigen Freitag debattieren wir an dieser Stelle über den Datenschutz und die verschiedensten Verstöße gegen den Schutz personenbezogener Daten, die in den vergangenen Wochen öffentlich bekannt wurden. Doch nicht nur die Privatwirtschaft war betroffen, auch kommunale Meldeämter konnten Daten nicht ordnungsgemäß vor einem externen Zugriff schützen. Von den zahlreichen Datenschutzverstößen im Internet oder beim Abschluss von zweifelhaften Verträgen über das Internet möchte ich an dieser Stelle gar nicht weiter sprechen. Nur eines fällt hierbei auf: In Europa beteiligt sich die Bundesregierung mittels des Programms »check the web« an der Suche nach vermeintlichen Terroristen im Internet. Dafür werden Personal und materielle Ressourcen zuhauf zur Verfügung gestellt. Gleichzeitig aber hat sich die Bundesregierung sehr stiefmütterlich um den Datenschutz im Zeitalter moderner Kommunikation gekümmert und suggeriert nun mit der Einführung eines elektronischen Identitätsnachweises im Personalausweis vermeintliche Sicherheit bei der Nutzung des Internets. Jedem muss klar sein, dass es absolute Sicherheit im Internet nicht gibt und nie geben wird. Der beste Schutz von Privatsphäre ist, unnötige Daten gar nicht erst zu erheben und zu speichern. Bevor also ein solches Projekt angegangen wird, sollten wir uns um eine verbesserte gesetzliche Grundlage für den Datenschutz in Deutschland kümmern.
Zum zweiten sollen auf den neuen Ausweisdokumenten biometrische Merkmale abgebildet und auf einem Chip gespeichert werden. Als Begründung hierfür verweist die Bundesregierung auf eine so genannte Passersatzfunktion des Ausweises bei Reisen innerhalb des Schengenraumes und in weitere Drittstaaten. Wörtlich heißt es in einem Bericht aus dem Bundesinnenministerium: »Diese Passersatzfunktion soll erhalten bleiben. Bei Verzicht auf die Biometrie im Personalausweis wäre das dauerhaft kaum möglich, da Betrugsversuche sich auf die weniger sicheren Personalausweise stützen würden«. Irrtum, kann ich nur sagen, denn nach Aussage der Bundesregierung selbst, sind die aktuell verwendeten Ausweisdokumente keineswegs unsicherer. Die Regierung gab auf Anfrage der Linksfraktion bekannt, dass im Jahr 2001 lediglich 88 Fälle von Ausweisfälschungen festgestellt wurden. Ist dies bei 60 Millionen Ausweisinhabern etwa ein signifikant messbares Sicherheitsrisiko? Man kann also von einem »Spitzenprodukt Made in Germany« sprechen.
Zudem ist zu erwarten, dass gerade durch die Verwendung des Chips im Personalausweis, wie zuvor bereits beim neuen E-Pass, die Sicherheit des neuen Personalausweises sinkt. BKA-Chef Ziercke etwa riet in einer Anhörung zur Einführung des E-Passes im Innenausschuss, den Pass vor illegalem Auslesen zu schützen, indem man diesen in Alufolie wickelt. Nun ja, dies ist sicherlich auch eine Möglichkeit….
Bleibt noch auf diesen seltsamen Kompromiss, zwischen der möchte gern Bürgerrechtspartei SPD und den Law-and-Order-Leuten von CDU/CSU zur freiwilligen Speicherung von Fingerabdrücken, einzugehen. Auch eine freiwillige Speicherung von Fingerabdrücken schafft keine zusätzliche Sicherheit, sorgt aber dafür, dass demnächst auch Fingerabdrücke zu einer begehrten Waren im illegalen Datenhandel werden. Studien belegen zudem, dass die Speicherung bei bestimmten Menschen, z. B. Kindern, Älteren und einigen Arbeitern, nicht geeignet ist, um einen eindeutigen Identitätsnachweis zu erbringen. Die Debatte über die Verwendung von Fingerabdrücken im Personalausweis innerhalb der Koalition lässt die Vermutung zu, dass diese freiwillige »Hilfskonstruktion« nur eine auf Zeit ist und wir in naher Zukunft nicht nur eine allgemeine Verpflichtung zur Abgabe von Fingerabdrücken bekommen werden, sondern auch eine zentrale Meldedatei, in der auch diese biometrischen Merkmale gespeichert werden sollen. Und dies trotz aller aktuellen und anderslautenden Beteuerungen! Hinzu kommt, dass zu erwarten ist, dass jeder der seine Fingerabdrücke nicht speichern lassen möchte, sich damit in den Augen mancher erst recht verdächtig macht.
Interessant ist auch, dass die Kosten für die Einführung des Personalausweises, die Anschaffung und Entwicklung der notwendigen Technik, zu einem nicht abzuschätzenden, dennoch hohen Anteil auf die Bevölkerung abgewälzt werden soll. Dieses Herangehen ist alles andere als bürgerfreundlich und konterkariert den selbst postulierten Anspruch der Bundesregierung in diesem Gesetzentwurf.

Schließlich möchte ich auf ein letztes Problem im Zuge der Einführung des neuen Personalausweises eingehen. Die Bundesregierung konnte sich nun doch durchringen, Künstlernamen in das neue Dokument aufzunehmen. Nun jedoch hat der Ausschuss für Innere Abgelegenheiten des Bundesrates die Streichung dieser Kategorie verlangt. Die Bundesregierung hat darauf lediglich entgegnet, diese Forderung hinsichtlich eines zu erwartenden Verwaltungsaufwandes zu prüfen.
Ich möchte an dieser Stelle den zahlreichen Wortmeldungen von Künstlerinnen und Künstlern in Deutschland geeigneten Platz einräumen. Diese zeigten sich, wie auch der Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler und der Deutsche Künstlerbund, zu Recht entrüstet über das Vorgehen des Bundesrates, Künstlernamen klammheimlich aus dem Ausweisdokument streichen zu wollen. Dies würde in der Folge bedeuten, dass massive Kosten auf die Betroffenen zukämen. Denn Künstlernamen sind die Basis der Identität und des Images von Künstlerinnen und Künstlern. Zum zweiten aber sind viele Verträge unter Künstlernamen abgeschlossen worden, darunter »nicht nur auf Kunst bezogene, sondern auch solche Existenz sichernder Natur«. DIE LINKE fordert deshalb die Bundesregierung auf, an der Aufführung des Künstlernamens im neuen Personalausweis festzuhalten.

DIE LINKE wird vor dem Hintergrund dieser Kritikpunkte der Einführung des E-Personalausweises nicht zustimmen und lehnt den Gesetzentwurf ab. Zusammengefasst muss man konstatieren: Der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung bringt insgesamt weniger Sicherheit und weniger Datenschutz.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

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