Zu niedrige Hürden und hohes Missbrauchspotential bei Regelung zur Bestandsdatenauskunft

31.01.2013

Rede zu Protokoll zur ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes und zur Neuregelung der Bestandsdatenauskunft (Drucksache 17/12034)

Sehr geehrter Herr Präsident,
werte Kolleginnen und Kollegen,

wir reden hier heute über die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Änderungen am Telekommunikationsgesetz, genauer um die Bestandsdatenauskunft. Die Bundesregierung hat diesen Entwurf vorgelegt, weil sie mal wieder vom Verfassungsgericht zu einer Korrektur gezwungen worden ist. Das ist ja mittlerweile zu einer schlechten Tradition der letzten Bundesregierungen geworden, mit in die Bürgerrechte eingreifenden Gesetzen bis über die Grenzen des verfassungsmäßig Erlaubtem zu gehen, um sich dann vom Verfassungsgericht in die Schranken weisen zu lassen. Das sagt dann, was eigentlich verfassungsmäßig machbar ist und was nicht. So auch in diesem Fall. Diese Entwicklung halte ich für demokratisch nicht hinnehmbar und ist ein Missbrauch dieser Institution. Das Bundesverfassungsgericht ist keine ausgelagerte Rechtsabteilung der Bundesregierung und das sollte auch respektiert werden.

Klar ist: Eine an den Bürgerrechten orientierte Politik bräuchte das Bundesverfassungsgericht als Korrektiv nicht. Nicht alles, was verfassungsrechtlich erlaubt ist, wenn es wie hier um Überwachungs- und Kontrollbefugnisse geht, muss man machen, das scheinen Union und FDP mal wieder vergessen zu haben.

Mit dem heute vorliegenden Entwurf will Schwarz-Gelb die Abfrage von Kundendaten der Telekommunikationsdienstleister durch Sicherheitsbehörden und Geheimdienste sichern. Es geht zum einen um die Namen und Adressen von Kommunikationsteilnehmern, zum anderen um Handy-PINs und E-Mail-Passwörter, oder darum, welche Internetnutzer zu welcher Zeit eine bestimmte dynamische IP genutzt haben.

Die Verfassungsrichterinnen und -richter haben zu Recht festgestellt, dass die Behörden nur solche Daten abfragen sollten, die sie auch verwenden dürfen. Das ist bei Ihnen in der Bundesregierung offenbar vorher niemandem aufgefallen. Diese und andere Kritikpunkte haben Sie nun in einem Entwurf auszuräumen versucht, der so schwammig und intransparent ist, das es einem nur so graust.

Ein Beispiel: Aus der nun geschaffenen neuen Ermächtigungsgrundlage in § 100j Strafprozessordnung geht nicht eindeutig hervor unter welchen materiellen Voraussetzungen die Strafverfolgungsbehörden auf Zugangscodes, wie PIN und PUK bei Handys, zugreifen dürfen. In Absatz 1 Satz 2 der Vorschrift findet man nur die Formulierung, dass die Auskunft nur verlangt werden darf, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Nutzung der Daten vorliegen. Sehr interessant. Nachvollziehbar wäre es jetzt gewesen, diese Vorschriften dann auch zu zitieren wie Beispielsweise den § 98 Strafprozessordnung beim Code zum Auslesen eines beschlagnahmten Mobiltelefons oder bei den Paragraphen 100a, 100b Strafprozessordnung bei Nutzung eines Zugangscodes für eine Onlinedurchsuchung oder zur Überwachung eines noch nicht abgeschlossenen Telekommunikationsvorgangs.

So herrscht weder für den Normanwender und erst recht nicht für den Normbetroffenen Klarheit. Das birgt ein enormes Fehler- und Missbrauchspotential. Dasselbe gilt übrigens für die von Schwarz-Gelb hier vorgeschlagenen Änderungen der Sicherheitsgesetze und den Gesetzen der Nachrichtendienste: Im neuen § 8d Bundesverfassungsschutzgesetz wird die vom Bundesverfassungsgericht geforderte konkrete Gefahr als Voraussetzung für eine Datenabfrage bei den Telekommunikationsanbietern überhaupt nicht aufgeführt. Dies ist bei den sensiblen Daten und den intensiven Grundrechtseingriffen, um die es hier geht, nicht akzeptabel, schon gar nicht bei einer völlig aus dem Ruder laufenden Institution wie dem Verfassungsschutz.

Dass die Bundesregierung hier jede Menge Verwirrung stiftet, ist ihr offenbar selber aufgefallen. In §113 Absatz 5 des Telekommunikationsgesetzes wird geregelt, dass eine Fachkraft des Telekommunikationsanbieters die Voraussetzungen für die Herausgabe von Daten prüfen muss. Also nicht an Gewinnspielanbieter, Privatpersonen oder irgendwen – wir reden hier von staatlichen Sicherheitsbehörden, die diese Daten haben wollen. Die von privaten Unternehmen kontrolliert werden sollen, ob sie denn das richtige tun. Als Kunde finde ich das gut, kein Zweifel, wenn mein Telefonanbieter erst mal guckt, ob ein Auskunftsersuchen rechtmäßig ist. Aber für Sie als Bundesregierung ist das ein Armutszeugnis, weil Sie eingestehen: Ihre Gesetze sind so grenzwertig, so schlecht formuliert und so wenig nachvollziehbar, dass Sie den eigenen Behörden nicht zutrauen, danach handeln zu können. Wenn Sie Fehler und Missbrauch auf so einem sensiblen Gebiet riskieren – wir sprechen hier immerhin von Eingriffen in Grundrechte nach Artikel 2 und 10 unseres Grundgesetzes – dann ist das schlichtweg fahrlässig.

Ich komme noch einmal auf die Voraussetzungen zum Abruf von Bestandsdaten und den Respekt vor den Grundrechten der Bürgerinnen und Bürger zurück. Statt auf die diversen Rechtsgrundlagen von abrufberechtigten Behörden zu verweisen hätte die Bundesregierung hier auch die Chance gehabt, hohe Hürden für die Bestandsdatenauskunft zu formulieren. Das wäre nicht nur transparenter und nachvollziehbarer gewesen, sondern hätte zum Beispiel verhindert, dass Sicherheitsbehörden bei geringstem Anlass fleißig Daten sammeln. Das wäre im Sinne der Bürgerrechte gewesen. Stattdessen will die Union wieder einmal das Maximum des verfassungsmäßig Erlaubtem herausholen, mit freundlicher Unterstützung der FDP, die dann eine vom Verfassungsgericht erzwungene Korrektur als Gewinn für Rechtsstaat und Demokratie zu verkaufen versucht. Das nimmt ihr zum Glück niemand mehr ab.

Vielen Dank