Gleichberechtigung muss erkämpft werden

12.11.2018
Karl Maria Stadler: Plakat zum Frauentag 1914

Heute vor 100 Jahren, am 12. November 1918, gab der von den Arbeiter- und Soldatenräten entsandte Rat der Volksbeauftragten in seinem Aufruf „An das deutsche Volk“ das Regierungsprogramm der Revolutionsregierung bekannt. Ein wichtiger Teil davon war die Proklamation einer großen Wahlrechtsreform, die auch das Frauenwahlrecht enthielt. Wahlberechtigt waren alle Frauen und Männer ab 20 Jahren. Wenige Wochen später, am 30. November 1918, wurde das aktive und passive Wahlrecht für alle Bürgerinnen und Bürger in der Verordnung über die Wahl zur verfassunggebenden deutschen Nationalversammlung verankert. Diese Wahl vom 19. Januar 1919 war die erste, an der Frauen in Deutschland als Wählerinnen und Gewählte teilnahmen.

Das mit der Revolution durchgesetzte demokratische Recht war auch Ergebnis eines jahrzehntelangen internationalen Kampfs der Frauenbewegung. Das Frauenwahlrecht war zuvor in Finnland, Norwegen, Dänemark und den Niederlanden erkämpft worden - und mit der Februarrevolution 1917 auch in Russland. Es folgten Großbritannien, Polen und Österreich noch im Jahr 1918.

Der kurze Blick auf die Errungenschaften der Novemberrevolution macht eines besonders deutlich: Zentrale Bestandteile der Demokratie, wie eben das Frauenwahlrecht, die heute vielen als selbstverständlich erscheinen, mussten mit revolutionärem Druck von unten erkämpft werden! Das ist eine wichtige geschichtliche Erfahrung, die keineswegs auf die Novemberrevolution beschränkt ist. Die formale Gleichberechtigung im Wahlrecht bedeutet indes alles andere als eine tatsächliche Gleichberechtigung von Frauen und Männern in der Gesellschaft. Noch Jahrzehnte später hielten sich biologistische „Argumente“, nach denen das Gehirn der Frauen zu klein wäre und durch die Gebärfähigkeit ihre „natürliche“ Bestimmung der private Bereich in Haushalt und Familie sei, um in konservativen Kreisen Stimmung für ein Zurück in vorrevolutionäre Zeiten zu machen.

Und es sagt einiges über den Charakter des Konservatismus hierzulande aus, wenn es 100 Jahre braucht, bis eine Bundeskanzlerin der Union erklärt, dass es in allen gesellschaftlichen Bereichen Probleme mit der Gleichberechtigung in Deutschland gibt und „Parität überall, ob in der Politik, der Wirtschaft, der Verwaltung" hergestellt werden müsse, da es bei der Gleichberechtigung um ein Menschenrecht und einen wichtigen Gradmesser dafür gehe, wie gerecht eine Gesellschaft sei.

Wohl wahr. 13 Jahre Regierung Merkel haben an den ungerechten Verhältnissen aber leider nicht viel geändert.