Jan Korte, MdB (DIE LINKE) (www.jan-korte.de)

Justizministerium schläft bei § 175 StGB-Entschädigungen

Spielen auf Zeit ist schlichtweg inakzeptabel

05.04.2023

Der frühere Paragraf 175 des bundesdeutschen Strafgesetzbuchs stellte sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe. Endgültig abgeschafft wurde er erst 1994. In der DDR gab es mit dem Paragrafen 151 eine ähnliche Vorschrift, die bereits im Juli 1989 abgeschafft worden war. Seit 1945 wurden nach diesen Gesetzen fast 70.000 Menschen in Ost und West verurteilt. Doch auch wer nicht verurteilt wurde, musste Strafverfolgung fürchten, Ermittlungen über sich ergehen lassen, saß in Untersuchungshaft oder erlitt erhebliche berufliche, wirtschaftliche oder gesundheitliche Nachteile. Die Homo- und Bisexuellenverfolgung war ein schlimmes Menschenrechtsverbrechen in beiden deutschen Staaten, das noch immer nicht vollends aufgearbeitet wurde.

Zwar wurde mit dem 2017 verabschiedeten Gesetz zur strafrechtlichen Rehabilitierung der nach dem 8. Mai 1945 wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilten Personen (kurz StrRehaHomG) eine Grundlage für die Aufarbeitung und Rehabilitierung der Betroffenen geschaffen, doch lies schon im April letzten Jahres die geringe Anzahl von 188 bis dahin eingegangenen Anträgen vermuten, dass viele Antragsberechtigte davon schlichtweg nichts mitbekommen hatten. Von den 30 Millionen Euro, die die Bundesregierung damals für Entschädigungen eingeplant hatte, wurden Stand letztes Jahr insgesamt nur 867.500 Euro abgerufen, wie meine schriftliche Frage von letztem Jahr belegt.

Dass die Rehabilitierung und Entschädigung von so wenigen Betroffenen in Anspruch genommen wird, dürfte mehrere Gründe haben: Einige wollen die Vergangenheit nicht aufwühlen; andere schlossen heterosexuellen Ehen zum Schutz vor Verfolgung und wollen sich im hochbetagten Alter nicht outen. Andere kennen das Gesetz und die Entschädigungsmöglichkeiten nicht. Wie auch? Die meisten der größtenteils älteren Männer, die für ihre sexuelle Orientierung verfolgt wurden, werden heute wohl kaum die Siegessäule oder andere Communitymedien abonniert haben.

Im April letzten Jahres habe ich Bundesjustizminister Marco Buschmann zuletzt in einem Brief dazu aufgefordert, mit einer breiten Anzeigenkampagne über das Rehabilitierungsgesetz und die Entschädigungsmöglichkeiten zu informieren. Ein Jahr später ergibt die Antwort auf meine schriftliche Frage, dass das Justizministerium schlicht geschlafen zu haben scheint: Eine viertelseitige Anzeige und Flyer in Arztpraxen seien zukünftig geplant, heißt es darin. Warum erst jetzt und warum so spät? Zwischenzeitlich dürften weitere Antragsberechtigte verstorben sein. Angesichts des Leids, das dieses Gesetz verursacht hat, und des zumeist hohen Alters der Opfer, ist dieses Spielen auf Zeit schlicht unwürdig.

Ich fordere den Bundesjustizminister dazu auf, schnellstmöglich einen Entwurf für eine Entfristung des Gesetzes vorzulegen. Außerdem muss eine breit angelegte, zielgruppengerechte Anzeigenkampagne ins Leben gerufen werden, die über die Entschädigungsmöglichkeiten informiert. Eine einmalige Viertelseite in der Apotheken-Umschau und dazu ein paar Flyer in Arztpraxen sind schlicht unzureichend.

Buschmann sollte bewusst sein, dass es bei der Rehabilitierung der damals Verfolgten um etwas Grundsätzliches geht: Ein Signal für die Gegenwart und Zukunft, dass es die Bundesregierung wirklich ernst meint mit ihrem Engagement für die Rechte queerer Menschen. Auch wenn die Antragszahlen weiterhin überschaubar bleiben, hat eine solche Informationskampagne internationale Bedeutung: Ob in Russland oder Uganda, die Verfolgung von queeren Menschen muss enden.

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