Positionspapier zum Beschäftigtendatenschutz

25.08.2010

Zum Regierungsentwurf für Regelungen zum Beschäftigtendatenschutz im Bundesdatenschutzgesetz vom 25.08.2010

Inhalt:

- Vorbemerkung

- Reaktionen der Parteien und Verbände

- Position der Fraktion DIE LINKE

Vorbemerkung

Mit dem Kabinettsentwurf vom 25.08. ist dem BMI ein kleiner Coup gelungen. Die für die Opposition wohl gewichtigste Reaktion ist die vom Bundesbeauftragten für den Datenschutz Peter Schaar. Er sieht substantielle Verbesserungen, der Entwurf sei ein tragfähiger Kompromiss. Die Totalverrisse der Referenten-Vorläuferentwürfe sind damit aus der Welt, die von SPD, DGB und seit einigen Wochen auch von den Grünen vorgelegten eigenen Entwürfe sind damit zunächst etwas ausgehebelt.

FDP und Schaar rücken in der öffentlichen Debatte das Verbot der heimlichen Videoüberwachung (§ 32 e und f), enger gefasste Regelungen zur Verwendung von Daten von Bewerberinnen und Bewerbern aus dem Internet und etwas enger gefasste Vorschriften zur Verwendung von Daten zur Verfolgung von Straftaten und Pflichtverletzungen (»Compliance«) in den Vordergrund.

Auf diese Punkte hatte sich tatsächlich die Kritik an den Vorentwürfen konzentriert. Aus heutiger Sicht wirkt das fast wie ein Experiment am lebenden Objekt: An all den Punkten ist das BMI mit seinem Entwurf den Kritiker_innen deutlich entgegengekommen.

Ist der Entwurf also auch aus unserer Sicht ein tragfähiger Kompromiss?

Welche Kritikpunkte bleiben noch?

Bevor wir darauf eine Antwort geben, müssen wir uns die Reaktionen und politischen Hakeleien um das Gesetz anschauen. Mehr als bei vielen anderen Gesetzentwürfen spielen hier Taktik und Durchsetzungsstrategien eine Rolle. Vor allem die FDP hat viel zu verlieren, wenn sie in dieser zentralen Frage des Datenschutzes allzu offensichtlich »untergebuttert« werden würde. Die Union steht damit vor der Frage, wo sie auf ihre bisherigen restriktiveren Vorstellungen verzichten kann, um die Koalitionspartnerin nicht existenziell zu treffen. Unter diesem Gesichtspunkt steht die Auseinandersetzung um den Beschäftigtendatenschutz exemplarisch für eine ganze Reihe von Vorhaben im Bereich Datenschutz.

Reaktionen der Parteien und Verbände

Aus der Union heraus gab es sofort im Einklang mit Arbeitgeberpräsident Hundt Forderungen nach erheblichen »Nachbesserungen«. Kriminalitäts - und Korruptionsbekämpfung würden behindert, Betriebsvereinbarungen abgeschafft. Unionsfraktionsvize Krings kritisierte das Verbot heimlicher Videoüberwachung. Als Alternative bliebe nur die flächendeckende offene Überwachung der Beschäftigten. Und auch der innenpolitische Sprecher Uhl forderte in diesem Sinn Nacharbeiten am Entwurf.

Die FDP lobt den Entwurf als einen mit »historischen Charakter«.

DGB/Verdi kritisieren vor allem die ungenügende Einbindung der Gewerkschaften in die Regelungen und fehlende Sanktionsmöglichkeiten bei Datenschutzverstößen. Der Entwurf sei »miserabel« (Passauer Neue Presse, 26.08.). Sommer sieht immer noch Gummiparagraphen, die die Beschäftigten nicht schützten, den Arbeitgebern aber nützten.

Bis zum 01.09. war von der SPD, die ja immerhin mit einem eigenen Entwurf gestartet war, kaum etwas zu hören. Einzig der Rechtsexperte der SPD-Bundestagfraktion, Sebastian Edathy, erklärte gegenüber Handelsblatt Online, dass der Entwurf unzureichend sei und »eine genaue Regelung, die bei Verstößen auch strafrechtliche und schadensersatzrechtliche Konsequenzen für den Arbeitgeber nach sich ziehen« gebraucht werde. Die Grünen forderten »Nachbesserungen« und hielten ihren eigenen Entwurf als die »bessere« Lösung hoch.

Neben seinen lobenden Worten fordert auch Schaar Nachbesserungen im Bereich der »Compliance« Regelungen wie den anlasslosen Datenabgleichen bei Verdacht auf Straftaten oder Pflichtverletzungen.

Die Datenschutzinitiative »FoeBuD« erklärte, dass das geplante Gesetz zum Beschäftigtendatenschutz gegen europäisches Recht verstoße, da es nach EU-Richtlinien jedem zustehe, sich bei möglichen Verstößen gegen Datenschutzbestimmungen direkt an unabhängige Kontrollbehörden zu wenden

Fazit: Es wird im Laufe der parlamentarischen Beratung aus den Reihen der Unionsfraktion Anträge zur Verschlechterung dieses Entwurfs geben. Es ist durchaus offen, ob der Kabinettskompromiss, bei dem de Maiziere eine Hauptrolle gespielt haben dürfte, in dieser Fassung mit den eingangs genannten positiven Regelungen, die Beratungen übersteht. Möglicherweise sind das aber auch taktische Drohungen, um dem Entwurf den Segen des Parlaments leichter zu verschaffen und weitergehenden Forderungen/Verbesserungen von Schaar, der Opposition und den Verbänden den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Die FDP - und die Unionsbefürworter - können immer unter Verweis auf diese drohenden Verschlechterungen - ihren Kompromiss als hart umkämpft und einzig durchsetzbare Variante anpreisen.

Ob SPD und Grüne in den nächsten Wochen ihre Sprache wieder erlangen und es vielleicht sogar gelingt zu einem gemeinsamen Vorgehen der Opposition zu kommen ist unklar. Signale in diese Richtung gibt es bislang nicht.

Die Gewerkschaften und außerparlamentarischen Bewegungen sind zwar auch noch weit von einer nennenswerten Mobilisierung entfernt, haben aber immerhin Aktionen und Proteste angekündigt. So veranstaltet Ver.di am 30.09. in Berlin eine hochkarätig besetzte Diskussionsrunde mit Prof. Dr. h.c. Spiros Simitis zum Thema ELENA und Beschäftigtendatenschutz.

Position der Fraktion DIE LINKE

Wir begrüßen natürlich das Verbot der heimlichen Videoüberwachung und kritisieren die Einschränkung zur Verwendung von Internetdaten als nicht weitgehend genug.

Unsere weitergehende Kritik bzw. unsere Forderungen an ein Beschäftigtendatenschutzgesetz bleiben. Zur Begründung dienen besonders - neben anderen - die folgenden 6 Punkte:

1. durch die Einarbeitung der Beschäftigtendatenschutzregelungen in das Bundesdatenschutzgesetz wird letzteres noch unlesbarer und unübersichtlicher. Die bloße Einfügung wird der fundamentalen Bedeutung des Beschäftigtendatenschutzes nicht gerecht. Gerade vor dem Hintergrund der endlosen Reihe von Skandalen in den Unternehmen kommt es darauf an, für die Beschäftigten und ihre Interessenvertreter ein handhabbares, verständliches Gesetz zu haben, dem ihre Rechte klar zu entnehmen sind.

2. Die in den Vorentwürfen deutlich erkennbare Ausrichtung der Regelungen an den Bedürfnissen der Arbeitgeber und ihrer Behauptung, es ginge gleichberechtigt um Kriminalitäts- und Korruptionsbekämpfung (»Compliance«-Regelungen) ist aus dem neuen Werk keineswegs verschwunden. Sie sind abgemildert, bestimmen aber immer noch den roten Faden der Datenverwendung.

Zugespitzt: Der Entwurf ist immer noch ein Regelwerk zur Verwendung der Daten durch den Arbeitgeber und kein Schutzgesetz für die Daten der Beschäftigten (z.B. § 32e und d. Siehe auch Begründung).

3. Die Verwendung von Informationen aus dem Internet bei Bewerber_innen ist zwar eingeschränkt, bietet aber immer noch übermäßig die Möglichkeit Daten zu verwenden. (Eine solche Regelung ist auch ein Anachronismus, wenn zur gleichen Zeit Versuche mit anonymen Bewerbungsverfahren propagiert werden.) So, wenn z.B. bei den sogenannten sozialen Netzwerken wie Facebook o.a. recherchiert wird. Erst die »Freundesbarriere« ist die Grenze, die die Nichtverwendung vorschreibt (§32 Abs 6 u.a. und Begründung).

Bei der Verwendung der Daten von sonstigen Dritten wird lediglich auf eine nicht weiter präzisierte Einwilligung des Bewerbers als Voraussetzung verwiesen (ebd.)

4. Unklar bleibt die Notwendigkeit des §32 (2), die Erhebung der sog. besonders schutzwürdigen Daten über die rassische und ethnische Herkunft, die Religion oder Weltanschauung, eine Behinderung, die sexuelle Identität … hier zu regeln. Zwar wird Bezug auf den §8 Abs1 des AGB genommen, die Notwendigkeit wird aber auch aus der Begründung nicht deutlich.

Darüber hinaus sollte auf die Verwendung von »rassisch« grundsätzlich verzichtet werden.

5. Ein großer Witz ist die Regelung in § 32 l Abs.4. Danach darf sich ein Beschäftigter, wenn er den Verdacht hat, dass der Arbeitgeber Daten rechtswidrig unbefugt nutzt, erst dann an die zuständige Behörde wenden, wenn der Arbeitgeber der »Beschwerde nicht unverzüglich abhilft«. Würde dieser Vorschlag Gesetz, wären Arbeitnehmer also gezwungen, sich ausgerechnet an diejenigen zu wenden, die ihr Recht auf informelle Selbstbestimmung verletzt hätten. Arbeitgeber könnten bewusst Verstöße vertuschen, bevor die Datenschutzbehörden davon erführen.

Diese Regelung beweist eindrucksvoll, dass aus den verschiedenen Skandalen, hier besonders dem bei der Bahn AG, keineswegs die richtigen Konsequenzen gezogen wurden. Dass ein betroffener Beschäftigter zuerst immer eine Beschwerde bei seinem Arbeitgeber einreichen müsste, verstößt gegen Artikel 28 Absatz 4 der EU-Datenschutzrichtlinie 95/46. Nach dieser Richtlinie steht jedermann das Recht zu, sich bei Verdacht auf Verstöße gegen Datenschutzbestimmungen direkt an unabhängige Kontrollbehörden zu wenden.

6. Auch der weiterhin mögliche Abgleich von Daten (§32 d) zur Aufdeckung von Straftaten und Pflichtverletzungen zieht aus dem Bahn-Skandal die absolut falschen Schlussfolgerungen. Die Forderung, in einer ersten Runde des Abgleichs, anonymisierte und pseudonymisierte Daten zu verwenden, mildert das Problem nur geringfügig ab, da dem Arbeitgeber weiterhin die Möglichkeit zu Rasterfahndung und anderen Abgleichen gegeben wird.

Fazit: Wir lehnen diesen Entwurf weiter ab. Im Laufe der parlamentarischen Beratung wird sich zeigen, ob die Opposition zu einem gemeinsamen Vorgehen kommt. Änderungsanträge im Sinne einer »Nachbesserung« müssen konkret zu gegebener Zeit geprüft werden. Jetzt sollte die Ablehnung i.o.S. im Vordergrund stehen.