Elektronischen Personalausweis nicht Einführen!

09.07.2010

Es gibt wirklich keinen einzigen Grund, den Elektronischen Personalausweis einzuführen. Darauf wies Jan Korte in seiner Rede vom 9. Juli 2010 noch einmal ausdrücklich hin. Der neue »ePerso« sei nicht nur bedeutend teuer als der alte Ausweis, sondern gibt für die nächsten zehn Jahre auch keine Sicherheitsgarantie, so Korte. Er kritisierte zudem das »Umfallen« der FDP. Noch im März hatte die Partei in einem Antrag ihre Ablehnung zu dem »ePerso« klar formuliert. »Davon ist jetzt keine Rede mehr«, zeigte Korte den Zick-Zack-Kurs der ehemaligen Bürgerrechtspartei auf.

Rede im Bundestag zu TOP 37 der 56. Sitzung am 09. Juli 2010 -
Beratung des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
»Elektronischen Personalausweis nicht einführen« (Drucksache 17/2432)

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen,

die LINKE entscheidet anhand von inhaltlichen Fragen. Daher werden wir dem vorliegenden Antrag voll und ganz zustimmen.
Und wenn noch irgendein Funke von Erkenntnislust in dieser Koalition glimmt, dann folgt sie der Intention des Antrages und stellt von sich aus dieses unsinnige Projekt ein. Dies entspräche im Übrigen dem, wenn auch eher minimalistischen Ansatz des Kollegen Brüderle, der ja vollmundig angekündigt hat, ein anderes Datenschutz-Monstrum, nämlich ELENA, zum vorläufigen Erliegen zu bringen. Ich bin gespannt, was daraus wird. In diesem einzelnen Falle hat Herr Brüderle übrigens unsere Unterstützung.
Aber zurück zum elektronischen Personalausweis (ePA) oder dem »neuen Personalausweis (nPA)«, wie er ja auch neuerdings heißt. Da ich Realist bin, nehme ich nicht an, dass der Antrag heute hier eine Mehrheit finden wird. Das bedeutet jedoch Folgendes: Jede und jeder, der für weitere zehn Jahre verhindern will, einen Personalausweis mit biometrischen Daten mit sich herumtragen zu müssen, hat nur noch bis zum 31. Oktober Zeit, seinen alten Ausweis zu verlieren und einen der bisherigen zu beantragen. Ab dem 1. November wird es dann nur noch den nPA geben.
Das ist bitter. Im März sah es ja noch so aus, als sei der nPA unter Umständen aufzuhalten. Zumindest ließen sich einige Kollegen der FDP-Fraktion mit entsprechenden Plänen zitieren. Damals konnte man den Eindruck gewinnen, dass sie sich an ihre sehr vernünftigen Positionen aus der letzten Legislaturperiode erinnert hätten. Ich zitiere hier mal aus ihrem entsprechenden Antrag »Keine Einführung des elektronischen Personalausweises«. Dort hieß es noch ganz richtig: »Der Deutsche Bundestag lehnt die Einführung des elektronischen Personalausweises ab. Die umfangreiche Erfassung und Speicherung der biometrischen Daten ist zur elektronischen Identifizierung nicht notwendig und birgt mehr Nachteile als Vorteile. Die zwangsweise Verwendung von biometrischen Daten aller Bundesbürger ist unverhältnismäßig.« Ganz auf dieser Linie bewegte sich vor vier Monaten die FDP-Kollegin Piltz. Sie forderte, dass die Einführung des Ausweises »bis 2020 ausgesetzt werden« solle, da er nicht sicher sei und die Menschen Gefahr liefen, dass ihre Daten unbefugt ausgelesen und ihre Identität missbraucht würde. Sie sagte weiter: »Zudem besteht keine Notwendigkeit, biometrische Merkmale in den Ausweis aufzunehmen.« Ihr parlamentarischer Geschäftsführer, Herr Ahrend, forderte damals sogar, der Staat müsse sich bei seiner Datensammelwut zurücknehmen und deshalb die Entscheidung für den Ausweis korrigieren. Davon ist jetzt nirgendwo mehr die Rede. Vermutlich dürfen sie nur alle paar Monate mal ein bisschen auf die Bürgerrechtspauke hauen und für medialen Streit in der Koalition sorgen. Und dann muss wieder Ruhe herrschen, ganz nach dem Motto »Was stört mich mein Gerede von gestern«.
Das der neue Personalausweis eines der Lieblingsprojekte des Bundesinnenministeriums war wissen wir schon lange. Am 3. Juni verkündete es die Gebührenverordnung für den neuen Personalausweis, die »nach Abstimmung mit den zu beteiligenden Ressorts« den Ländern zugeleitet und noch vor der Sommerpause im Bundesrat verabschiedet werden soll. Vorgesehen ist ein Preis von 28,80 Euro, was drei Mal so teuer ist wie die 8 Euro für den alten Ausweis. Wer jünger ist als 24 Jahre zahlt 19,80 Euro. Dafür gilt er dann aber auch nur für sechs und nicht für zehn Jahre. Ausnahmen für Menschen ohne oder nur mit geringem Einkommen sind erst gar nicht vorgesehen. Am 17. Juni dann präsentierte Innenminister Thomas de Maizère persönlich das Dokument in der Bundesdruckerei und erklärte, dass (Zitat) »dieser neue Personalausweis [...] die sicherste elektronische Identitätskarte, die es auf dem Markt gibt«, sei. Das mag sogar derzeit der Fall sein. Es stellt sich allerdings die Frage, wie lange wird er denn sicher bleiben? Die gesamten zehn Jahre, die er gültig ist? Darauf kann der Bundesinnenminister derzeit keine seriöse Antwort geben. Denn klar ist doch eines: Auch noch so sichere technische Systeme werden inzwischen in ziemlich kurzen Zeiträumen überwunden. Und was dann? Dann hilft einem nur noch eine Hotline des Ministeriums. Bei der muss man nämlich anrufen und ein Sperrkennwort nennen, um den Ausweis ungültig zu machen und das Schlimmste zu verhüten. Das kann doch nicht wirklich ihr Ernst sein. Und schon gar nicht, wenn man sich ansieht, wie es sicherheitstechnisch mit dem alten Personalausweis aussieht. Hier wiederhole ich gerne noch einmal, was ich Ihnen an dieser Stelle vor rund zwei Jahren schon gesagt habe:
Zurzeit sind 62 Millionen Personalausweise im Umlauf. Nach Angaben der Bundesregierung wurden im Zeitraum vom 1. Januar 2001 bis einschließlich 30. September 2007 insgesamt 495 Urkundendelikte registriert. Dabei handelte es sich in 88 Fällen um Totalfälschungen sowie in 128 Fällen um Verfälschungen von deutschen Personalausweisen. Also 495 Urkundendelikte bei 62 Millionen in Umlauf befindlichen Personalausweisen. In Ihrer Sprache würde man sagen: Ein wirklich deutsches Spitzenprodukt. Zumindest was den Sicherheitsaspekt angeht besteht also keine Handlungsnotwendigkeit. Aber sie verfolgen mit ihrem Projekt ja noch etwas ganz anderes. Die angeblich fehlende Sicherheit des jetzigen Personalausweises diente ihnen nur als populärer Vorwand für ein Projekt, das die Bürgerinnen und Bürger nie gebraucht und auch nicht gewollt haben. Es geht ihnen um die Schaffung eines Marktes für biometrische Techniken, um ihre möglichst umfassende Einführung und darum, einen großen Teil der Entwicklungskosten via Steuergelder und Gebühren den Bürgerinnen und Bürgern in Rechnung zu stellen.
Schön wäre es auch, wenn die Regierung endlich aufhören würde, mit »Freiwilligkeit« und »optionalen Funktionen« die Bürgerinnen und Bürger auch noch zu veralbern. Seit der Einführung des optionalen Girokontos wissen wir, dass es sich dabei lediglich um Akzeptanzstrategien handelt: Wer heute noch nicht will, wird über geschaffene Tatsachen eben morgen zum Glück gezwungen. Blöd nur, wenn sich dieses Glück als Pech entpuppt!
Was passiert denn, wenn die schöne neue »sichere Identität« in Form einer sechsstelligen PIN samt Ausweis verloren geht? Dann passiert genau das, was sie angeblich damit verhindern wollen. Der Finder kann ungehindert in falschem Namen einkaufen, Verträge abschließen und Anträge stellen und niemand schöpft Verdacht. Denn eine weitere Prüfung der Identität findet ja nicht mehr statt. Bei der FDP war man sich dessen schon einmal bewusst. In ihrem damaligen Antrag hieß es noch: »Die Gefahr des Identitätsdiebstahls wird durch eine Speicherung der biometrischen Daten außerhalb der auf den Ausweisen befindlichen Template erheblich erhöht.« und weiter: »Die Privatwirtschaft ist nicht auf ein biometriegestütztes technisches Identifikationsverfahren für Onlinegeschäfte angewiesen.«

Erklären sie uns deshalb bitte doch einmal, warum sie ihre damalige Position aufgegeben haben? Der Grünen-Antrag liegt hier völlig richtig: Identitätsschlüssel für Internet, eGovernment und sonst was dürfen auf keinen Fall mit Pflichtdokumenten kombiniert werden. Unvergessen ist für mich auch noch der Auftritt von BKA-Präsident Jörg Zierke im Innenausschuss. Damals ging es um die Einführung des ePasses. Als er seinen aus Sicherheitsgründen in Alu verpackten Pass aus der Tasche gezogen und damit alle Sicherheitsversprechen der Befürworter ad absurdum geführt hat, hätten eigentlich auch dem dogmatischsten Befürworter die Augen aufgehen müssen. Wir wissen alle was geschah: Sie schlafen unbeirrt weiter.

Immerhin bietet der FoeBuD (Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs e. V.) in Bielefeld in seinem Online-Shop allen Bürgerinnen und Bürgern seitdem eine mit 2,50 Euro recht preiswerte Möglichkeit, das unbemerkte Auslesen des RFID-Chips zu verhindern. Die RFID-Schutzhülle bekommt man leider bislang nur bei den Kritikern des nPA. Bei den Meldeämtern sucht man dergleichen sinnvolle Angebote oder auch nur die Hinweise darauf vergeblich. Aber was nicht ist, das kann ja noch werden.

Vielen Dank.