SWIFT-Abkommen ist Datenausverkauf

08.07.2010

Genau an dem Tag, als das EU-Parlament das SWIFT-Abkommen durchgewunken hat, hielt Jan Korte eine Rede über die Unsinnigkeit dieser Maßnahme. Überaus scharf kritisierte er, dass die Nachbesserung in dem Abkommen nicht viel mehr sei als reine Kosmetik. »Noch immer können Millionen Datensätze in die USA und deren Geheimdienste übermittelt werden«, erklärte Jan Korte. Peinlich bei dem SWIFT-Abkommen war einmal mehr die Rolle von FDP und SPD, wie Korte herausstellte. Beide Parteien stimmten wider besseren Wissens für SWIFT.

Sehr geehrter Herr Präsident,

verehrte Kolleginnen und Kollegen,

am heutigen Nachmittag hat die Mehrheit des Europäischen Parlaments den zweiten Anlauf für ein Abkommen zwischen der EU und den Vereinigten Staaten (USA) über die Übermittlung von internationalen Bank(kunden)daten durchgewinkt. Lediglich die Linksfraktion und die Fraktion der Grünen im EP haben geschlossen gegen dieses Abkommen gestimmt. Von den datenschutz- und bürgerrechtlichen Bedenken bei Sozialdemokraten und Liberalen vom vergangenen Februar ist heute in Strasbourg nichts mehr übrig geblieben. Dabei sind die Veränderungen des aktuellen Abkommens zu dem ersten Entwurf Anfang des Jahres - anders als es Union und FDP in ihrem Antrag behaupten - reine Kosmetik. Noch immer können Millionen Datensätze an das US-Heimatschutzministerium und deren angeschlossene Geheimdienste übermittelt und von diesen für fünf Jahre gespeichert werden. Zuständig für die Verarbeitung US-amerikanischer Begehrlichkeiten ist künftig die europäische Polizeibehörde EUROPOL. Doch weder das EUROPOL-Übereinkommen noch die interne Struktur der europäischen Polizeibehörde sehen derartige Befugnisse vor. Im Kern soll also eine Polizeibehörde eine Polizei- und Geheimdienstbehörde kontrollieren. Das ist das glatte Gegenteil einer unabhängigen Kontrollinstitution, das ist keine Kontrolle durch das Europäische Parlament oder einen Richter. Rechtsstaatliche Verfahren sehen anders aus.

Nun hören wir als starke Oppositionskraft immer sehr aufmerksam zu, wenn in den Beratungen des Bundestages die Bundesregierung Stellung zu politischen Vorhaben bezieht. Und in Bezug auf SWIFT und die Rolle von EUROPOL haben wir daraus vernommen, - so deren Innenstaatssekretär Ole Schröder (CDU) - dass auch die Bundesregierung mit dieser Konstruktion zur Lösung des Übermittlungsproblems mehr als unzufrieden ist. Nur stellt sich dann doch die Frage, warum Innenminister de Maiziere im zuständen EU-Rat dem Abkommen dann seinen Segen gegeben hat. Vielleicht hat er auch nur auf eine inhaltliche Hilfestellung seitens des Bundestages gewartet. Diesem Wunsch wären zumindest LINKE und SPD sehr gerne nachgekommen. Gerne hätten wir Ihnen unsere Vorgaben zur Verhandlungsführung und den Verhandlungszielen mit auf den Weg gegeben. Leider aber hat die Bundesregierung alles getan, um die Verhandlungen selbst, aber auch die internen Verhandlungslinien im Verborgenen zu halten und Ergebnisse im Innenministerium zu privatisieren. Gleichzeitig mühten sich die europäischen Innenminister ein neues Abkommen nach dem Scheitern des ersten im Europäischen Parlament so schnell wie möglich unterschriftsreif zu bekommen. Vor diesem Hintergrund konnten Anträge der Opposition in Bezug auf die Aufnahme neuer Verhandlungen mit den USA erst am gestrigen Tage im Innenausschuss debattiert werden. Und dies, obwohl DIE LINKE als auch die SPD-Fraktion ihre Stellungnahmen vor Beginn der zweiten Verhandlungsrunde eingereicht hatten. Aber mit Stellungnahmen des Deutschen Bundestages zu wesentlichen Unionsdokumenten scheint es die Koalition sowieso nicht besonders zu haben. So wurde ebenfalls am gestrigen Mittwoch im Innenausschuss ein entsprechender Entwurf für eine Stellungnahme des Bundestages der Fraktion DIE LINKE zum neuen SWIFT-Abkommen mit den Stimmen von CDU/CSU und FDP abgelehnt. Stattdessen liegt dem Plenum des Bundestages heute ein Antrag der Koalition vor, in dem die Ergebnisse der Verhandlungen zwischen der EU und den USA in den siebten Himmel gelobt werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

das alles ist wahrlich eine Farce. Peinlich ist in diesem Zusammenhang das Agieren der FDP-Fraktion zu nennen. Tönte deren Justizministerin noch Anfang des Jahres, ein solches Abkommen würde es mit ihr nicht geben, ist Frau Leutheuser-Schnarrenberger nun vollends verstummt. Der FDP blieb letztlich nur, einige kritische Anmerkungen im benannten Koalitionsantrag auf den hinteren Seiten in weichgespülter Pose unterzubringen. Um eines ganz deutlich zu sagen: Ohne die Linksfraktion im Bundestag würden wir heute gar nicht über dieses Abkommen debattieren. DIE LINKE hatte gefordert endlich das Thema auch hier im Plenum zu behandeln, um es aus nichtöffentlichen Innenausschusssitzungen heraus zu holen und eben nicht nur auf der Grundlage von »vertraulich« eingestuften Dokumenten zu debattieren. Wenn aber das neue Abkommen so ein großer Fortschritt ist, warum wollte die Koalition oder der Innenminister dieses den Bankkunden nicht auch mitteilen? Liegt es vielleicht daran, dass Bankkunden, die ins Visier von US-Terrorfahndern geraten sind, auch zukünftig kaum über Informations- und Widerspruchsrechte verfügen? Oder liegt es daran, dass durch dieses Abkommen Bankkunden bereits als verdächtig angesehen werden können, wenn sie humanitären Organisationen in Afghanistan, Jemen oder Irak Geld zum Jahresende spenden? Oder liegt es daran, dass die Bundesregierung in einer öffentlichen Debatte hätte zugeben müssen, dass die Weiterleitung von Bankdaten in außereuropäisches Ausland bereits seit 2001 und teilweise ohne Rechtsgrundlage und somit illegal stattfand? Oder liegt es doch eher daran, dass die Bundesregierung mit ihrer Zustimmung zum neuen SWIFT-Abkommen wohlmöglich gegen das Grundgesetz verstößt? Oder - schließlich und endlich - liegt es daran, dass man bewusst eine Beurteilung des Abkommens durch den juristischen Dienst des EP zur Kontrolle des Bankdatentransfers durch EUROPOL nicht abwarten wollte, weil Ihnen klar war, was im Ergebnis dieser Prüfung festgestanden hätte?

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen der Koalition,

bitte vergessen Sie nicht, dass die Legislative das Handeln der Exekutive bestimmt und kontrolliert und nicht umgekehrt. Kehren Sie von ihrem Weg der Wattebauschkontrolle der Regierung um. Nehmen Sie die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ernst, achten Sie endlich konsequent das Grundgesetz und die darin verbrieften Grund- und Freiheitsrechte. Hören Sie auf, unliebsame Sicherheitsprojekte über die europäische Bande in Deutschland durch die Hintertür einzuführen. Achten Sie endlich die im Vertrag von Lissabon festgelegten Mitbestimmungsrechte der nationalen Parlamente im europäischen Gesetzgebungsprozess. Und folgen Sie den Anträgen der Linksfraktion im Bundestag und fordern damit die Bundesregierung auf, dem neuen SWIFT-Abkommen in der Schlussabstimmung im EU-Ministerrat die Zustimmung zu verweigern.

Zentrale Kritikpunkte des EP am ersten Vertragsentwurf sind eben nicht in den Folgeverhandlungen oder dem heute vorliegenden Abkommen berücksichtigt worden. Dieser Fakt wird auch dadurch nicht verändert, weil nun die Mehrheit der Mitglieder des EP - vor allem in den Reihen der Liberalen und Sozialdemokaten - unter dem Druck der USA und der europäischen Innenminister von ihrer ursprünglichen Haltung abgewichen sind. Sowohl der Sinneswandel vieler Abgeordneter auf europäischer Ebene und im Bundestag, als auch die Art und Weise der Debatte im Bundestag haben beiden Parlamente, wie auch der Demokratie und den Grundrechten insgesamt, keinen Dienst erwiesen.

Vielen Dank für Ihre Einsicht und Aufmerksamkeit!

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