Online-Durchsuchung endlich stoppen!

08.07.2010

Den Antrag der Bundestagsfraktion Die LINKE zur Aufhebung der ebenso unsinnigen wie überflüssigen Online-Durchsuchung im BKA-Gesetz begründete Jan Korte in seiner Rede. Bis zum Mai dieses Jahres wurde keine einzige Online-Durchsuchung angeordnet, was alleine diese Maßnahme ad absurdum führt. Korte kritisierte, dass auch durch die Online-Durchsuchung die ohnehin prekäre Balance zwischen Freiheit und Sicherheit aus dem Lot geraten sei und sich langsam aber stetig in Richtung Sicherheit ausgependelt hat. »Datenschutz ist und bleibt elementares Grundrecht, was immer wieder verteidigt werden muss!«, erklärte Korte.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen,

die Online-Durchsuchung, einst als wichtiges und unerlässliches Instrument im Kampf gegen den internationalen Terrorismus gepriesen, ist schlicht überflüssig. Zu diesem Ergebnis muss jeder kommen, der sich ernsthaft mit der Entstehung und Entwicklung dieser Maßnahme beschäftigt hat. Spätestens die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage unserer Fraktion zur »Bilanz der Online-Durchsuchung« vom 21. Mai dieses Jahres verdeutlicht überaus anschaulich den kompletten Unsinn dieses Instruments. Die von der Bundesregierung vorgelegten Zahlen sprechen für sich und ich wiederhole sie hier an dieser Stelle deshalb noch einmal ganz besonders gerne. Vor allem für all diejenigen, die sich weiter und scheinbar unerschütterlich als Apologeten der Online-Durchsuchung outen. Vielleicht können Argumente etwas bewirken. Als Linker gibt man ja die Hoffnung nie auf.

Was also hat die Bundesregierung auf die Kleine Anfrage geantwortet? Nämlich folgendes: Zwar wurden in den vergangenen anderthalb Jahren rund 700.000 Euro investiert, um Online-Durchsuchungen überhaupt durchführen zu können. Aber, das entpuppte sich als glatte Fehlinvestition. Denn bis Mitte Mai hatte das Bundeskriminalamt keine einzige Online-Durchsuchung angeordnet. Ich wiederhole, keine einzige! Einstmals als Wunderwaffe entwickelt und in einem Klima der Verunsicherung vorschnell an den Start gebracht, konnte die Online-Durchsuchung ihre angebliche sicherheitspräventive Wirkung bis heute nie entwickeln. Stattdessen hat sie eine komplette Bruchlandung hingelegt. Von angeblichen Sicherheitslücken die durch diese Maßnahme geschlossen werden sollten, ist schon längst keine Rede mehr. Dennoch wird stumpf an der Online-Durchsuchung festgehalten.

Die von der Bundesregierung vorgelegten Zahlen zeigen überdeutlich die Sinnlosigkeit der Online-Durchsuchung. Das argumentieren dafür ist unseriös. Auch deshalb sollte sie ebenso schnell wieder aus dem BKA-Gesetz verschwinden wie sie darin gelandet ist. Die fadenscheinige Ausrede, es handele sich bei der Online-Durchsuchung um eine sogenannte »Ultima Ratio«-Maßnahme, verschleiert nur den wahren Kern und eigentlichen Sinn der Online-Durchsuchung: Menschen werden zu Datensätzen reduziert, über die sie selbst keine Kontrolle mehr haben. Das ist nicht nur ein weiterer Baustein in dem dichter werdenden Mosaik Deutschlands auf dem Weg zu einer Totalüberwachung, sondern zudem verfassungsrechtlich höchst bedenklich.

Es gibt mittlerweile nichts mehr, was nicht gespeichert werden kann! Längst werden auch hochsensible, personenbezogene Daten von Bürgerinnen und Bürger dieses Landes erfasst, die sich nichts zu Schulden kommen ließen. Sie sind nicht einmal bei Rot über die Ampel gegangen. Speicherlimits gibt es ebenfalls nicht mehr. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wird sowohl durch die Online-Durchsuchung als auch durch andere datenpolitische Maßnahmen der letzten Jahre Schritt für Schritt ausgehebelt. In der Konsequenz bedeutet das nichts anderes als das Verschwinden der Privatheit, ein schlimmes Szenario!

Die Online-Durchsuchung fügt sich also gut ein in die unendlich lange Liste von Maßnahmen, die - in einen Deckmantel der Kriminalitätsbekämpfung gewandet- immer öfter und vor allem schamloser daherkommen. Erst wurde die Vorratsdatenspeicherung eingeführt, dann Pässe und Personalausweise mit biometrischen Merkmalen versehen, dann kamen ELENA und andere Gesetze hinzu. Als neueste Errungenschaft in dieser Reihe des datenschutzpolitischen Horrors wurde heute im Europäischen Parlament das SWIFT-Abkommen verabschiedet. So unterschiedlich diese Gesetzes-Initiativen auch sind, gemein ist ihnen vor allem eines: In Sachen Datensammelei werden in diesem Land kaum noch Grenzen gesetzt.

Die ohnehin prekäre Balance zwischen Freiheit und Sicherheit ist aus dem Lot geraten und wurde langsam aber stetig einseitig in Richtung Sicherheit ausgependelt. »Wir müssen uns wehren gegen die schleichende Erosion unserer Grundrechte und gegen unsere Entmündigung«, hat der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum in einem Artikel für die »Stuttgarter Zeitung« am letzten Montag in Sachen Datenschutz formuliert. Er hat Recht damit.

Denn Datenschutz ist und bleibt ein elementares Grundrecht. Es muss jedoch, wie andere Grundrechte auch, immer wieder aufs Neue verteidigt werden! Wer sich dieser Meinung anschließen kann, dem wird also nichts anderes übrig bleiben, als unserem Antrag die »Befugnis des Bundeskriminalamtest zur Online-Durchsuchung aufheben«, zuzustimmen. Von der CDU/CSU erwarte ich zugegebenermaßen nicht mehr sonderlich viel in Sachen Datenschutz oder zumindest nichts Gutes. Von der FDP leider immer weniger. Dennoch böte die Zustimmung zu unserem Antrag eine gute Brücke, um endlich wieder auf den Pfad des Datenschutzes und der Sicherung von Bürger-und Grundrechten zurückzukommen. Der Weg lohnt sich. Auch deshalb appelliere ich hier nachhaltig an die Kolleginnen und Kollegen von SPD und FDP, uns bei unserem Anliegen, die Online-Durchsuchung aufzuheben, die Zustimmung nicht zu verweigern. Das kann Ihnen bei den hier dargelegten Zahlen und Fakten sowie Argumenten doch eigentlich gar nicht so schwerfallen.

Zu Jahresbeginn hatte Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger eine Überprüfung der Sicherheitsgesetze auf ihre Notwendigkeit angekündigt. Daraus ist bislang nichts geworden. Genauso fehlt nach wie vor jegliche Überprüfung der Sicherheitsgesetze auf ihre Verhältnismäßigkeit und auf Bürgerrechtskonformität. DIE LINKE erneuert daher ihre alte Forderung nach einem sofortigen Moratorium für Sicherheitsgesetze und eine umfassende unabhängige Überprüfung der vorhandenen Gesetze auf ihre Vereinbarkeit mit Bürger- und Freiheitsrechten.

Wir wollen aber nicht wieder bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag warten müssen. Zur fehlenden Notwendigkeit und der Unverhältnismäßigkeit der Online-Durchsuchung ist eigentlich alles gesagt. Unser Antrag ist die logische Konsequenz! Die massiven Eingriffsbefugnisse von staatlichen Institutionen in die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger müssen zurückgefahren werden. Die Ablehnung der Online-Durchsuchung ist dafür ein erster, wichtiger Schritt, für die ich um ihre Unterstützung bitte.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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