Bundesdatenschutzgesetz: als Tiger gestartet, als Bettvorleger gelandet

07.07.2009

In seiner Rede zur Novelle des Bundesdatenschutzgesetzes unterstrich Jan Korte die Kritik der LINKEN an der viel zu zaghaften Modernisierung des Bundesdatenschutzgesetzes und erneuerte die Forderung nach einem eigenständigen Arbeitnehmerdatenschutzgesetz. Korte forderte wirksame Instrumente gegen die Datensammelwut von Unternehmen und bedankte sich am Ende bei den ausscheidenden Kolleginnen und Kollegen des Innenausschusses für die streitbare Zusammenarbeit der letzten Jahre.

Jan Korte (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf, den wir heute abschließend beraten, ist eine Reaktion auf zwei Vorgänge in unserer Gesellschaft, zum einen auf die unfassbaren Datenschutzskandale der letzten Jahre. Ich denke, wir sind einer Meinung darüber, dass es unfassbar ist, wie mit persönlichen Daten gezockt und gehandelt wurde.

Zum anderen ist es ? das halte ich für eine gute Nachricht ? auch eine Reaktion der Politik auf ein neues Bewusstsein für den Datenschutz in der Bevölkerung. Das sollten wir anerkennen. Die Politik ist gezwungen, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen.

Ich will zugestehen, dass es bei dem, was Sie als Koalition heute vorlegen, durchaus einige Verbesserungen gibt, etwa im Bereich der Transparenz oder ? das finde ich in der Tat wichtig ? bei der Nachvollziehbarkeit der Datenherkunft. Das ist ein richtiger Schritt, und das muss man anerkennen.

Ich kann Ihnen allerdings auch am letzten Tag der regulären Sitzungswochen in dieser Legislaturperiode ein Aber nicht ersparen.

(Beatrix Philipp (CDU/CSU): Da überraschen Sie uns aber sehr!)

Das tut mir sehr leid. Ich hätte es Ihnen gerne erspart. Aber wenn man Ihren Gesetzentwurf dem auf Schäubles Datenschutzgipfel angekündigten Paradigmenwechsel gegenüberstellt, dann stellt man fest, dass davon nicht viel übrig geblieben ist, so schade das ist.

(Beifall des Abg. Jörg Tauss (fraktionslos))

Die Kernfrage, um die es in unserer Diskussion geht, ist: Erhalten die Bürger und Verbraucher ihr Selbstbestimmungsrecht und ihre Souveränität über ihre Daten zurück, die sie zwar ursprünglich hatten, die ihnen aber inzwischen verloren gegangen sind? Das ist die entscheidende Frage. Wir müssen das Gesetz daran messen, ob es das erfüllt. Ich bin aber mit den Verbraucherschutzzentralen einer Meinung, dass das Gesetz dieser Notwendigkeit nicht Rechnung trägt, obwohl es einige Verbesserungen gibt. In der Summe kann man sagen: als Tiger gestartet, als Bettvorleger gelandet.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz wurde schon angesprochen. Es ist gut, dass in § 32 des Bundesdatenschutzgesetzes nun unmissverständlich klargestellt ist, dass die Daten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer grundsätzlich nicht mehr für andere Zwecke verwendet werden dürfen; das ist gut, gar keine Frage. Trotzdem ist es nicht das, was wir brauchen. Wir brauchen ein eigenständiges Arbeitnehmerdatenschutzgesetz. Das wäre nach den Skandalen bei Lidl, der Telekom und der Deutschen Bahn, bei der sogar Gewerkschafter ausgespitzelt worden sind,

(Beatrix Philipp (CDU/CSU): Was heißt denn »sogar«?)

wirklich angemessen gewesen. Ich verstehe nicht, warum wir das nicht hinbekommen haben, obwohl alle Fraktionen schon vor mehreren Jahren der Meinung waren, dass wir ein solches Gesetz brauchen. Warum ist das nicht möglich? Das ist schlicht unfassbar. Dafür hatten wir über vier Jahre Zeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Es wurde schon darauf hingewiesen: Das ist insbesondere dem Versagen der SPD geschuldet; das muss man deutlich sagen. Wenn ich in der Süddeutschen Zeitung lese und auf Gewerkschaftstagen höre ? das sind durchaus bemerkenswerte Reden ?, dass man endlich ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz braucht, und man gemeinsam mit den Gewerkschaften Seite an Seite schreitet, kann ich nicht verstehen, warum man sich in der letzten Legislaturperiode nicht bemüht hat, ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz auf den Weg zu bringen. Das ist sehr schade. Ich hoffe, dass wir in der nächsten Legislaturperiode ein solches Gesetz im Sinne der Beschäftigten endlich auf den Weg bringen und dass Sie sich in Zukunft nicht mehr von einer penetranten Lobbyarbeit, wie ich sie noch nie erlebt habe, in die Knie zwingen lassen, wenn es um den Datenschutz geht.

(Beatrix Philipp (CDU/CSU): Nein!)

Wir tun das nicht. Aber Sie haben das leider getan. Das ist zu kritisieren.

Um noch etwas Versöhnliches zum Schluss zu sagen: Es gibt einige Verbesserungen. Ich fand es ganz klasse, mich in den letzten vier Jahren mit Herrn Bürsch und Silke Stokar öfter zu streiten.

(Dr. Michael Bürsch (SPD): Gisela nicht vergessen!)

Das hat durchaus Erkenntnisgewinn gebracht und das Florett weiter geschärft. Mit Beatrix Philipp war es eigentlich auch ganz cool, obwohl wir nicht oft einer Meinung waren. Aber das war ganz in Ordnung.

(Beatrix Philipp (CDU/CSU): Meine Enkelkinder haben auch gesagt, ich wäre eine coole Oma!)

In diesem Sinne: Es ist leider ein schlechtes Gesetz, aber es war eine gute Zeit. So sollte es jetzt weitergehen. Besten Dank, auch an dich, Gisela.

Tschüss.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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