Im Blues der größte Weiße

16.05.2008

Jan Korte hat in Berlin das Konzert von »van the man« Van Morrison besucht und gleich für das Feuilleton des Neuen Deutschlands einen Konzertbericht verfasst. 

Bei Konzerten der alten Rock-Veteranen erwartet das Publikum das Runterspielen der alten Hits aus den sechziger und siebziger Jahren. Alle neuen Stücke auf solchen Konzerten werden - wenn überhaupt - höchstens mit Höflichkeitsapplaus bedacht. Das ist das augenfälligste an Van Morrison-Konzerten: Die neuen Stücke werden nicht weniger gefeiert als die alten Klassiker wie »Bright Side of the Road« oder »Precious Time», was viel über die vitale Schaffenskraft dieses Ausnahmemusikers aussagt.

So auch beim Konzert am vergangenen Freitag im Berliner Tempodrom. Der 1945 in Belfast geborene Morrison gehört mit zu den wohl einflussreichsten Songwritern der Rockgeschichte. Und ebenso der Rockgegenwart. So war das Konzert auch stark von Stücken seines neuen Albums »Keep it simple« geprägt.

Der Titel ist Programm: Auf diesem Album und dem Berliner Konzert gibt es keinen Bühnenschnickschnack, keine Lichtshow, keine Sensationen. Es ist ein Arbeitsbesuch mit herausragenden Musikern, den Morrison breiten Raum zur Entfaltung einräumt. Das Besondere an Morrison-Konzerten ist die melodische Mischung aus Blues, Jazz, Soul, Country und den irischen Einflüssen seiner Heimat. Es sind fließende Konzerte, die bei aller Schlichtheit ihre Aufladung durch die unverwechselbare weiße Bluesstimme des »Meisters« erhalten. Blues-Legende John Lee Hooker hat ihn schon vor Jahren als »größten weißen Bluessänger« geadelt.

Im Gegensatz zu den karikaturhaften Konzerten der Rolling Stones, wo jegliche Überraschung ausgeschlossen ist, war der Auftritt im Tempodrom mit vielen kleinen neuen Nuancen gespickt: So präsentierte Morrison das bekannte und von Rod Stewart adaptierte »Have I told you lately (That I love you)« in einer beschwingten Swing-Version oder bot eine auf das Wesentliche reduzierte jazzige Version der »Saint James Infirmary«, bei welcher der Einfluss des Weggefährten Ray Charles unüberhörbar war.

Die unterschiedlichen Einflüsse auf Morrisons Musik wurden während des Konzerts immer wieder durch auf die Sekunde arrangierte Soli von Geige und Dobro (Country), Hammondorgel (Bluesrock) oder Saxofon und Trompete (Jazz) deutlich. Damit führte »Van the Man« zum Beispiel in seinem ursprünglich äußerst jazzgeprägten Klassiker »Moondance« das Berliner Publikum in acht Minuten durch alle relevanten Musikrichtungen, die den Rock und überhaupt die moderne Musik geprägt und entwickelt haben.

Van Morrison bot dem begeisterten Publikum feil, dass er alle wesentlichen Instrumente selbst beherrscht: Saxofon, Mundharmonika, Klavier, Gitarre und Mandoline. Nach über 40 Jahren Bühnenpräsenz überrascht Van Morrison immer noch und konnte im stickigen Tempodrom das Publikum, wenn auch nur für anderthalb Stunden, von seiner Vitalität und Experimentierfreudigkeit erfreuen. Ein ehrlicher Abend.