Rechte für Journalistinnen und Journalisten sichern und ausbauen

11.05.2007

Von Frankreich lernen heißt, guten, kritischen Journalismus schützen. Deshalb können westlich des Rhein Journalistinnen und Journalisten kündigen, wenn ihre Zeitung oder Verlag von einer Heuschrecke gekauft werden oder sich die politische Ausrichtung der Zeitung oder des Verlages ändert. Geht es nach der Linksfraktion soll dies nun auch in Deutschland eingeführt werden, um den Journalismus vor ausschließlich Gewinn maximierenden Interessen zu schützen.

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

das Berufsbild des Journalisten fasziniert nach wie vor viele junge Menschen nicht nur in diesem Lande. Viele engagieren sich bereits während der Schulzeit bei so genannten Schülerzeitungen, andere entscheiden sich bewusst für Praktika in Zeitungs- oder Hörfunkredaktionen, um einen ersten konkreten Einblick in den Journalismus zu bekommen. Ungebrochen ist seit Jahrzehnten der Ansturm auf die wenigen Studienplätze in Journalistikstudiengängen an deutschen Universitäten oder Journalistenschulen. Dem Wunsch, Journalist oder Journalistin zu werden, liegt vor allem zu Grunde, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen, sich einzubringen und gesellschaftliche Verhältnisse abzubilden oder gar zu verändern. Hierfür gehen Journalistinnen und Journalisten manches Mal hohe Risiken ein. Und ohne dieses wären beispielsweise die wahren Bilder des Vietnamkrieges nie nach Europa oder in die USA gedrungen. Ohne dieses hätte die Welt nicht miterleben können, wie rechte Militaristen und Putschisten um Pinochet die demokratisch gewählte Regierung von Salvador Allende blutig niedergeschossen haben. Ohne den Einsatz und die Recherchen von Journalisten wäre aber auch eine breite Abbildung von gesellschaftlichen Entwicklungen in Deutschland unvorstellbar und der Wert einer Gesellschaft ein ganz anderer. Aus diesen und vielen weiteren Gründen ist deshalb aber auch immer versucht worden, die Pressefreiheit einzuschränken, die Arbeit von Journalisten zu behindern. In Lateinamerika und Afrika, aber auch in Europa stehen Journalisten auf Todeslisten und fallen gewaltsamen staatlichen oder terroristischen Anschlägen zum Opfer. Das letzte prominente Opfer war die russische Journalistin Politkovskaya.

So wundert es denn auch nicht, dass der Journalismus in den westlichen Demokratien auch als vierte Gewalt im Staate bezeichnet wird. Dieser Umstand ergibt sich in der Bundesrepublik Deutschland auch aus dem Artikel fünf des Grundgesetzes. Dieser stellt die Arbeit von Journalisten und die Pressefreiheit im Besonderen unter Schutz. Diesen geschützten Raum gilt es, zu verteidigen. Doch auch in der Bundesrepublik Deutschland ist in den vergangenen Jahren mehr und mehr die Pressefreiheit eingeschränkt worden. Zusammenfassend wird dies im aktuellen Bericht der Reporter ohne Grenzen deutlich. Demnach ist die Bundesrepublik bei dem weltweiten Ranking von Platz 18 auf Platz 23 zurückgefallen. Ursachen hierfür sind die Überwachung von Journalisten und Redaktionen durch bundesdeutsche Geheimdienste und die Durchsuchung von Redaktionsräumen oder Privatwohnungen von Journalisten. Demnächst wird diese Situation durch die geplante Online-Durchsuchung oder die Vorratsdatenspeicherung weiter verschärft werden.

Die Linke kritisiert nicht nur diese Entwicklungen, sondern stellt sich dieser entschieden entgegen. Unserer Meinung nach muss das hohe Gut der Pressefreiheit nach Grundgesetzartikel fünf im politischen und juristischen Rahmen weiter verteidigt und gewährleistet werden. Auch deshalb haben wir heute diesen Antrag zur Debatte gestellt.
Damit wollen wir erreichen, dass der Bundestag die Bundesregierung auffordert, dafür Sorge zu tragen, dass Journalisten ungehindert und ohne Überwachung ihrem öffentlichen Auftrag, der Berichterstattung, nachgehen können.

Journalistinnen und Journalisten werden aber nicht nur durch staatliche Eingriffe und Gewalt an ihrer Tätigkeit gehindert. Auch wirtschaftlich wird der Journalismus immer mehr zu einem Spielball im wirtschaftlichen, auch globalisierten Wettbewerb. Zwei Beispiele:

1. 2005 verkaufte der Holtzbrinck-Verlag den Berliner Verlag an eine Gruppe um den britischen Investor Montgomery. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Berliner Zeitung, des Stadtmagazins TIP und des Berliner Kuriers wehrten sich intern und öffentlich gegen den Verkauf mit der Begründung, dass Montgomery den Verlag aus Gewinnmaximierungsgründen und nicht aus journalistischen Beweggründen erwerben wolle. Die Einschätzung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hat sich bewahrheitet, Kritiker des Briten, wie der ehemalige Chefredakteur Uwe Vorkötter, verließen die Berliner Zeitung.

2. Im Januar 2007 drückte der Verleger der »Münsterschen Zeitung» eine komplette Lokalredaktion ins Aus. Erst ließ er sie in ein zugiges Druckhaus umziehen, in dem freie Mitarbeiter ihre Artikel in ehemaligen Damenumkleidekabinen schreiben mussten. Kurz darauf wurden die gesamte Lokalredaktion, der Lokalsport und das Redaktionssekretariat vom »Dienst freigestellt». Der Verleger hatte entschieden, die Erstellung des Lokalteils der Lokalredaktion zu entziehen und diese Aufgabe an eine Firma namens Media Service GmbH & Co. KG weiterzureichen. Ziel der Maßnahme war schlichte Kostenersparnis und, so wird gemutmaßt, eine politische »Neuausrichtung» des Blattes.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
Verlage, Zeitungen wie Zeitschriften werden in der globalisierten Wirtschaftswelt immer mehr zum Ziel Gewinn maximierender Interessen von Investoren. Die Heuschreckendebatte im politischen Raum der Gesellschaft war Ausdruck dieser Analyse. Im Vordergrund des Interesses so genannter Investoren liegt nicht mehr der journalistische Gehalt einer Zeitung oder Zeitschrift, sondern die Gewinne kapitalkräftiger Anteilseigner. Verlage werden aufgekauft, »saniert», ausgesaugt, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen, Gewinne von bis zu 20 Prozent werden aus dem Unternehmen raus gezogen und der Rest dann wieder auf den Markt geworfen. Dabei zählen Inhalte und Artikel in Zeitungen und Zeitschriften immer weniger, Anzeigenkunden indes immer mehr. Hierfür wird die Meinungsvielfalt in vielen Blättern aufgegeben, so genannte Auftragsartikel im Sinne der (neuen) Besitzer, Anzeigenkunden und »stillen» Teilhaber veröffentlicht. Der geistige Mehrwert für den Leser geht dabei gegen null, der Anspruch an guten, aufklärerischen und kritischen Journalismus vor die Hunde.

Der Schutz von Journalisten vor derartigen Entwicklungen in Deutschland ist nach Meinung vieler Journalisten und Journalistinnen und der Fraktion DIE LINKE. unzureichend und muss ausgebaut werden. In anderen europäischen Staaten ist der Schutz von journalistischer Arbeit vor wirtschaftlichen und Gewinn maximierenden Interessen wesentlich höher. Der EU-Mitgliedsstaat Frankreich beispielsweise hat diesen Schutz ausgeweitet und im französischen Arbeitsgesetzbuch für Kündigungen von Journalisten nach dem Verkauf von Zeitungen und Zeitschriften vorgesehen, dass Abfindungen gemessen an der geleisteten Arbeitszeit gezahlt werden.

In Artikel L 761-5 und L 761-7 Arbeitsgesetzbuch heißt es, ich zitiere:

»Die Abfindung wird auch im Falle der Kündigung eines Journalisten gezahlt, wenn die Kündigung begründet ist mit dem Verkauf der Zeitung oder Zeitschrift, der Einstellung der Zeitung oder Zeitschrift oder eine erhebliche Veränderung des Charakters oder der Orientierung der Zeitung oder Zeitschrift derart vorliegt, dass dies die Ehre, den Ruf oder die moralischen Belange des Journalisten beschädigt».

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
die Franzosen haben es im Gegensatz zu Deutschland geschafft, den inhaltlichen und moralischen Anspruch von Journalisten zu formulieren und gesetzlich zu verankern. Denn die französische Gesellschaft weiß anscheinend sehr genau, was sie an dem hohen Gut der Pressefreiheit und journalistischer Arbeit hat. Und sie weiß auch, dass es dies zu verteidigen gilt und nicht ausschließlich wirtschaftlichen Interessen zu opfern ist.
Diesem Beispiel möchte die Fraktion DIE LINKE. folgen und fordert die Bundesregierung in ihrem Antrag auf, dafür Sorge zu tragen, dass eine finanzielle Abfindung gemessen an der geleisteten Arbeitszeit bei Kündigungen durch einen Journalisten gezahlt wird, wenn diese aufgrund eines Verkaufs eines Verlages, einer Zeitung oder Zeitschrift an einen neuen Investor oder einer Änderung der politischen Orientierung des Verlages, der Zeitung oder der Zeitschrift erfolgt. Außerdem fordern wir die Regierung auf, dafür Sorge zu tragen, dass eine finanzielle Abfindung gemessen an der geleisteten Arbeitszeit bei Kündigungen durch einen Journalisten gezahlt wird, wenn diese aufgrund einer Einstellung des Betriebes eines Verlages, einer Zeitung oder Zeitschrift durch Verkauf an einen neuen Eigentümer oder eine neue Eigentümerin erfolgt.

Wir sind der Meinung, dass eine solche Regelung den Schutz der Pressefreiheit und der journalistischen Tätigkeit ausbauen hilft. Maxim Gorki hat einmal über Journalisten gesagt: »Der Arzt und der Journalist haben etwas Gemeinsames: der eine wie der andere diagnostizieren und charakterisieren Krankheiten». Wenn wir wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass Journalisten auch weiterhin den Finger in Wunden legen können, dann müssen wir die Pressefreiheit schützen und verhindern, dass sich diese noch mehr den Gewinn maximierenden Interessen von Finanzinvestoren und Börsenfonds unterordnen muss. Ich freue mich auf die Debatte und hoffe auf ihre Zustimmung.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.