Vorratsdatenspeicherung: Ein nie dagewesener Angriff auf die Privatsphäre

05.12.2005

Jan Korte am 15.12.2005 im Bundestag zu einem Antrag der FDP-Fraktion, die Vorratsdatenspeicherung abzulehnen.

Jan Korte (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist für mich als Neuling der Linken besonders bemerkenswert, dass die große Koalition offensichtlich ausgerechnet die FDP, mit der ich ideologisch relativ wenig zu tun hatte,

(Zuruf von der FDP: Mit Ideologie haben auch wir nichts zu tun!)

und die Linksfraktion in Sachen Demokratie zusammenschweißt. Denn - dies ist im Antrag der FDP richtig formuliert - der vorliegende Vorschlag einer Richtlinie ist ein weiterer staatlicher Angriff auf die Privatsphäre und bedeutet einen weiteren Abbau von Bürgerrechten. Jeder, der ein Telefon benutzt, eine E-Mail schreibt, eine SMS verschickt oder ins Internet geht, steht künftig de facto unter Generalverdacht. Das ist entgegen der Meinung der Kanzlerin weniger, nicht mehr Freiheit. Deswegen lehnen wir dies ab.

(Beifall bei der LINKEN und der FDP)

Einen Eingriff solchen Ausmaßes in das Fernmeldegeheimnis und in die Privatsphäre hat es noch nicht gegeben. Es wurde schon angedeutet, dass auch die Pressefreiheit dadurch beeinträchtigt wird, da niemand mehr einen Quellen- und Informantenschutz gewährleisten kann, außer man trifft sich auf einer dunklen Brücke im Nebel, sofern diese nicht bereits videoüberwacht wird.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN)

Es ist falsch, dass diese Eingriffe unter dem Deckmäntelchen der Terrorbekämpfung erfolgen sollen; denn den Beweis der Nützlichkeit wie auch den Nachweis des konkreten Sinns und Zwecks der Vorratsdatenspeicherung ist die Bundesregierung und sind auch Sie, Herr Staatssekretär, uns schuldig geblieben.

(Beifall bei der LINKEN - Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär: Sie haben nicht zugehört!)

Darüber hinaus ist die Maßnahme ein bürokratischer Moloch und droht zu einem Milliardengrab zu werden.

Merkwürdig ist - damit komme ich auf meine Eingangsbemerkung zurück -, dass sich ausgerechnet die Linke und die FDP zusammenfinden müssen, um gegen diesen weiteren Schritt zum Überwachungsstaat zu opponieren. - Ich habe heute nach kurzer Zeit festgestellt, dass ich umso mehr Recht haben muss, wenn Herr Tauss dazwischen ruft.

(Beifall bei der LINKEN)

Lassen Sie mich mit folgender Bemerkung schließen: Wer wie ich stets den aufgeblähten Überwachungsapparat der DDR kritisiert hat, kann nicht für die Vorratsdatenspeicherung sein. Die Linke immerhin hat aus der Geschichte gelernt. Es ist schade, dass dies bei der großen Koalition offensichtlich nicht der Fall ist. Mit den Bürgerrechten geht es weiter bergab. Rot-Grün hat schon die entsprechende Vorarbeit geleistet. Ich erinnere nur an die Otto-Pakete. Jetzt geht es mit verschärftem Tempo weiter. Rechtsstaatlich aber wird es mit Sicherheit nicht dunkel; dafür wäre die FDP ein zu kleines Licht. Jetzt ist die Linke wieder im Bundestag. Deswegen wird es eher hell werden.
Schönen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Herr Kollege Korte, auch Sie haben heute Ihre erste Rede in diesem Hohen Hause gehalten. Herzlichen Glückwunsch und für Sie persönlich und für Ihre Arbeit hier alles Gute!

(Beifall)