No-Spy-Garantie bei IT-Auftragsvergaben nicht ernst gemeint

03.12.2014

Seit anderthalb Jahren wissen wir dank der Enthüllungen von Edward Snowden, was die Bundesregierung offensichtlich schon mindestens seit 2005 weiß: Der US-amerikanische Geheimdienst NSA bespitzelt weltweit mehr oder weniger die gesamte Telekommunikation. Obwohl er dabei auch eng mit anderen Geheimdiensten wie dem BND zusammenarbeitet, macht er nicht vor seinen „Freunden“ halt und spioniert gezielt gerade auch in EU-Staaten, allen voran in der Bundesrepublik. All das war für die Regierung bislang scheinbar kein Problem, so zumindest muss man aus der Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage "No-Spy-Garantie bei IT-Auftragsvergaben" von Jan Korte und der Fraktion DIE LINKE schließen.

Anders lässt sich sonst kaum erklären, wieso das Auswärtige Amt alleine in den Jahren 2011 und 2012 über 110 US-Firmen durch sogenannte Verbalnoten rechtlich mit den US-Streitkräften gleichstellte und es ihnen dadurch gestattete, für die US-Armee im Bereich „analytische Dienstleistungen“ tätig zu werden. Hinter der Umschreibung „analytische Dienstleistungen“ verbirgt sich nichts anderes als die nachrichtendienstliche Auswertung von abgezapften Datennetzen. Auch IT-Unternehmen, die nicht direkt im Auftrag der Geheimdienste tätig sind, tragen ihren Teil zur Überwachung bei, da sie weltweit verpflichtet sind, mit den jeweiligen Sicherheitsbehörden zu kooperieren und Kommunikationsdaten herauszugeben. In Deutschland wäre hier zum Beispiel das Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses zu nennen (Artikel-10-Gesetz). Insbesondere US-amerikanische IT-Firmen und ihre Töchter, die dem Foreign Intelligence Surveillance Act unterliegen, dienen so der NSA als Zuarbeiter für den unstillbaren staatlichen Datenhunger.

Nachdem der Regierung aber mittlerweile dämmerte, dass es reichlich unverantwortlich ist, US-Spionagedienstleistern freiwillig Zugriff auf sichere Netze und vertrauliche Daten zu geben, wurde versucht mit Hilfe zweier Klauseln für öffentliche Ausschreibungen mit möglicher Sicherheitsrelevanz das Vergaberecht zum ‚Anti-Spionage-Mittel‘ zu machen. Am 30. April 2014 wurde ein sogenannter No-Spy-Erlass verabschiedet. Immerhin überhaupt mal eine Reaktion könnte man meinen. Der Erlass scheint über den Status eines Papiertigers nicht hinauszukommen. Dies legt jedenfalls der Inhalt der Antwort der Bundesregierung auf unsere Kleine Anfrage „No-Spy-Garantie bei IT-Auftragsvergaben“ (Drucksache 18/3136) nahe.

Wie so oft hat die Regierung zu vielen Fragen keine Antworten, weil ihr angeblich entsprechende Informationen fehlen. So liegen ihr z.B. keine Erkenntnisse vor, wonach die Dutzenden US-Unternehmen, die für die amerikanischen Streitkräfte Aufträge ausführen, als Spionagedienstleister tätig sind. Dementsprechend dürfen auch aktuell 27 Firmen dank entsprechender Notenwechsel im Bereich der „analytischen Dienstleistungen“ für die US-Army tätig werden.

Eine Klausel, die von Unternehmen tatsächlich verlangt, die bestehenden Kooperationspflichten mit den Geheimdiensten und Sicherheitsbehörden vertraglich auszuschließen, schafft natürlich zuerst ein Dilemma für die Unternehmen: Sie können dem öffentlichen Auftrag nicht gerecht werden, ohne Vorschriften in einem anderen Land zu verletzen und umgekehrt. Das ist selbstverständlich auch der Bundesregierung klar. Offensichtlich um alle Firmen zu beruhigen und ihnen einen Ausweg aufzuzeigen, gibt sie in mehrfacher Hinsicht Entwarnung: Für die Überprüfung der Einhaltung sei „die mit der Durchführung des Vertrages betraute Stelle zuständig.“ Wie diese konkret aussehen soll bleibt völlig unklar, Angst vor allzu genauer Kontrolle muss sich wohl niemand machen.

Dass die Klausel aber auch nicht wirklich ernst gemeint ist, sondern vielmehr hauptsächlich zur Förderung der einheimischen Wirtschaft und der Simulierung von Aktivität dienen soll, macht auch die Tatsache deutlich, dass nach wie vor mit CSC eine Firma, die sich u.a. an der Verschleppung des Deutschen Khaled el-Masri durch die CIA beteiligt hat, Aufträge erteilt werden. Die Unterschrift von CSC reicht aus, um einem der wichtigsten US-Spionagedienstleister weiterhin freiwillig Zugriff auf sichere Netze und vertrauliche Daten zu geben und diesen Experten somit quasi eine Unbedenklichkeitserklärung auszustellen. Wer so handelt und nicht aus dem Geheimdienstkartell aussteigen will, muss sich nicht wundern, wenn die Bundesrepublik bei US-Diensten den Ruf eines Selbstbedienungsladens hat.