LINKE lehnt Privatisierung der Melderegisterauskunft prinzipiell ab

09.06.2016

Rede zu Protokoll in der 176. Sitzung des Deutschen Bundestags zu TOP 24.:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesmeldegesetzes und weiterer Vorschriften (Drucksache 18/8620[1])

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

ab und an lohnt es, sich die Geschichte von Gesetzesentwürfen genauer anzusehen. Beim hier zur Debatte stehenden Gesetzentwurf sieht man dann, dass Sie jetzt, offenbar angesichts der ersten Praxiserfahrungen, die Ihre am 1. November 2015, also vor gerade einmal etwas mehr als einem halben Jahr, in Kraft getretenen Änderungen im Bundesmeldegesetz (BMG) bereits nachjustieren müssen. Der Grund: Ihr damaliges Gesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens war handwerklich einfach nicht gut gemacht. Soweit so schlecht. Aber man kann es auch positiv betrachten und sagen, dass Sie dies diesmal immerhin schon recht frühzeitig gemerkt haben. Und einige Punkte in Ihrem Gesetzentwurf gehen auch tatsächlich in die richtige Richtung.

Die Erkenntnis, dass der damalige Gesetzentwurf nicht gut gemacht war, kommt allerdings für diejenigen, die z.B. den Sachverständigen in der Ausschussanhörung zugehört hatten, nicht wirklich überraschend. Schon vor zwei Jahren haben uns die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder bereits im Gesetzgebungsverfahren zum Entwurf des Gesetzes zur Fortentwicklung des Meldewesens umfassend Empfehlungen gegeben, die dann aufgrund ihrer Abneigung gegen den Datenschutz keinen oder nur zum Teil Eingang in das Gesetz fanden.

Schon damals rieten die Datenschützer die Mitwirkungspflicht des Wohnungsgebers bei der An- und Abmeldung ersatzlos zu streichen. § 19 BMG ist nur in den allerwenigsten Fällen geeignet, Scheinanmeldungen zu verhindern, für die Mieterinnen und Mieter und die Wohnungsgeber jedoch ein enormer bürokratischer Mehraufwand. Aber anstatt § 19 in Gänze zu streichen, sieht Ihr Gesetzentwurf nur die Streichung der Mitwirkungspflicht des Wohnungsgebers vor, wenn der Mieter ins Ausland verzieht. Und Sie springen nicht nur hier zu kurz:

An die Hotelmeldepflicht, die nichts anderes als eine umfangreiche, verdachtslose Datenerhebung auf Vorrat ist, wagen Sie sich auch diesmal nicht heran. Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder haben die Hotelmeldepflicht seit je her als unverhältnismäßig kritisiert und gefordert, dass Hotelgäste nicht pauschal als Gefahrenquellen oder potenzielle Straftäter angesehen werden dürfen. Meine Fraktion ist deshalb der Meinung, dass die §§ 29 bis 31 des BMG abgeschafft werden sollten.

Was sind denn aber nun die positiven Seiten Ihres Gesetzentwurfs?

Das Bundesamt für Justiz wird in nach § 34 Absatz 4 Satz 1 die Liste der abrufberechtigten Stellen aufgenommen, um seinen Aufgaben im Rahmen der EU-Rechtshilfe nachkommen zu können.

Auch die Klarstellung zum bedingten Sperrvermerk (§ 52 BMG), wonach die Speicherung nicht personenbezogen, sondern zur Anschrift der betroffenen Person erfolgt, erscheint mir richtig.

Dass bei der Durchführung des Optionsverfahrens im Staatsangehörigkeitsgesetz die Übermittlung von Auskunftssperren auch bei vorzunehmenden Datenübermittlungen der Meldebehörden an die zuständigen Behörden aufgenommen wird, ist zu begrüßen.

Das war es dann aber auch schon. Einzelne datenschutzrechtliche Klarstellungen müssen ja nur erfolgen, weil Sie wieder einmal den Umfang der zu speichernden Daten erhöhen oder wie in § 33 des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) die im Register staatsangehörigkeitsrechtlicher Entscheidungen zu speichernden Daten ergänzen. Ihre Begründung, warum in die im automatisierten Verfahren abrufbaren Daten auch das Merkmal „Geschlecht“ wieder aufgenommen werden muss, da es im Zusammenhang mit der steigenden Zahl ausländischer Namen zu Identifizierungsschwierigkeiten gekommen sei, überzeugt mich nicht. Warum hat sich bei der automatisierten Melderegisterauskunft nach § 38 Absatz 1 BMG die Erteilungsquote deutlich verschlechtert, weil die abfragenden Stellen das Geschlecht nicht angeben dürfen? Darauf hätte ich gerne im weiteren Gesetzgebungsverfahren eine nachvollziehbare und auf Fakten basierende Erklärung.

Neben diesen sehr überschaubaren Verbesserungen beinhaltet Ihr Gesetzentwurf aber mit der Privatisierung der Melderegisterauskunft noch eine extrem problematische Verschlechterung, die meine Fraktion auf keinen Fall mittragen kann:

Denn um nichts anderes handelt es sich bei der von Ihnen geplanten Möglichkeit zur „Beauftragung“ von Privatunternehmen zur Führung des Auskunftsregisters durch Änderung des § 49 Absatz 3 BMG. Wenn die Daten außerhalb der Behörden noch ein zweites Mal gespeichert werden, erhöht das selbstverständlich das Risiko für die Datensicherheit. Zudem erschließt sich der Sinn nicht, denn die öffentliche Hand kann die Verwaltungskosten für die Registerauskünfte ja über entsprechende angemessene Gebühren ausgleichen, während Privatunternehmen selbstverständlich mit Profitinteresse an so etwas rangehen. Unsicherheiten könnten zusätzlich entstehen, wenn ein solches Unternehmen pleitegehen sollte. Die ganzen Daten, die ja einen enormen Wert darstellen können, wären weiterhin irgendwo gespeichert, aber die Zugriffsrechte würden unklar. Sollen diese dann Gegenstand eines Insolvenzverfahrens werden oder wie haben Sie sich das gedacht?

DIE LINKE begrüßt hingegen einige Änderungsvorschläge des Bundesrates. Der Innenausschuss des Bundesrates empfiehlt in seiner Stellungnahme, eine Möglichkeit zur Auswahl der Daten in einer Meldebescheinigung für die Bürgerinnen und Bürger zu schaffen, die damit nur genau die erforderlichen Daten preisgeben müssen und zugleich die möglichen Angaben gegenüber der derzeitigen Rechtslage zu erweitern. Zweitens soll ein Missbrauch der Melderegisterauskunft an Private durch präzisere Regelungen verhindert werden. Diese Vorschläge sind sehr sinnvoll und finden unsere Unterstützung.

Die Chance, die Macken des Ausgangsgesetzes auszuräumen wurde einmal mehr nicht genutzt. Neben einigen Verbesserungen wurde im gleichen Zug an anderer Stelle verschlechtert oder neue Probleme geschaffen. Der grundsätzliche Trend zum Aufhäufen und Austauschen von immer mehr Daten, den Sie mit Ihrer Politik nun schon seit vielen Jahren verfolgen, wird auch mit diesem Gesetzentwurf weiterverfolgt.

Links:

  1. http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/086/1808620.pdf