Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion zum Anlass für Entspannungsinitiative mit Russland nehmen

22.06.2019
Bundesarchiv Bild 146-2007- 0127, Russland, Gebirgs-Jäger beim Vormarsch

Heute jährt sich der Überfall Nazideutschlands auf die Sowjetunion zum 78. Mal.

In den frühen Morgenstunden des 22. Juni 1941 begann mit dem Vormarsch von 121 Wehrmachtsdivisionen das "Unternehmen Barbarossa". Die faschistische Invasionsstreitmacht bestand aus drei Millionen deutschen sowie weiteren 600.000 Soldaten aus Italien, Ungarn, Finnland, Rumänien und der Slowakei.

Die nationalsozialistische Kriegsplanung sah im Jahr 1941 für die Sowjetunion ausdrücklich vor, dass die Bevölkerung um 30 bis 50 Millionen Menschen reduziert werden sollte. Neben dem Generalplan Ost kam dabei dem maßgeblich von Herbert Backe, dem damaligen Staatssekretär im Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft, entwickelten Hungerplan eine entscheidende Rolle zu. Bei einem Planungstreffen im Oberkommando der Wehrmacht kurz vor dem Überfall wurde festgelegt: „Der Kriege ist nur weiter zu führen, wenn die gesamte Wehrmacht im 3. Kriegsjahr aus Russland ernährt wird. […] Hierbei werden zweifellos zig Millionen Menschen verhungern, wenn von uns das für uns Notwendige aus dem Land herausgeholt wird.“ Zuerst realisiert wurde diese Vernichtungsplanung an den sowjetischen Kriegsgefangenen – im ersten Kriegsjahr starben allein zwei von drei Millionen Gefangenen. Zehntausende von ihnen wurden ausgesondert und nach den Richtlinien des „Kommissarbefehls“ direkt hinter der Front erschossen oder in den Konzentrationslagern ermordet. Mehr als drei Millionen Gefangene überlebten den Krieg nicht. Nur dadurch, dass eine Einnahme von Leningrad verhindert werden konnte, scheiterte die deutsche Planung, die den Tod aller drei Millionen Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt vorgesehen hatte. Doch 800 000 Leningrader verhungerten durch die deutsche Blockade oder starben im Bombenhagel der Wehrmacht.

Am Ende hatte Nazideutschland einen Leichenberg mit 27 Millionen sowjetischen Männern, Frauen und Kindern aufgetürmt– teils im Kampf gefallen, zu Hunderttausenden in der Gefangenschaft ermordet, als Zivilisten vergast, willkürlich erschossen, gehenkt, in ihren Häusern verbrannt, zu Millionen und mit Vorsatz dem Hunger- und Kältetod preisgegeben.

Dies alles sollte Anlass für Bundestag und Bundesregierung sein, ein starkes öffentliches Zeichen für Versöhnung, Völkerverständigung und Frieden zu setzen. Doch von all dem ist seit Jahren nichts zu sehen. Seitdem die Bundesregierung 2012 die Modernisierungspartnerschaft mit Russland einseitig aufgekündigt hat verschlechtern sich die deutsch-russischen Beziehungen von Jahr zu Jahr mehr. Wir brauchen jedoch Entspannung und Kooperation mit Russland statt immer neue Konfrontation. Eine entsprechende Initiative ist überfällig.

Ich erwarte, dass die Bundesregierung den Jahrestag des Überfalls Nazideutschlands auf die Sowjetunion als Anstoß nimmt, um ein öffentliches Versprechen abzugeben, dass sie das Thema der Erinnerung an den Vernichtungskrieg Nazideutschlands im Osten nicht wieder in Vergessenheit geraten lassen und den Opfern dauerhaft ein ehrendes Andenken in unserer Erinnerungskultur sichern wird.

Über den Vernichtungskrieg in Osteuropa und das Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen im deutschen Bewusstsein hat 2015 die Bundestagsfraktion DIE LINKE die lesenswerte Broschüre "Befreiung und Befreier"[1] herausgegeben.

Links:

  1. https://www.linksfraktion.de/fileadmin/user_upload/Publikationen/Reader/reader-kriegsgefangene.pdf