»Irgendwie dieselben alten Gegner«

14.01.2011

Die aktuelle Debatte über den Text »Wege zum Kommunismus« von Gesine Lötzsch veranlasste die CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin in der Plenarsitzung am 13.1. einen Entschließungsantrag mit der Überschrift »Nein zum Kommunismus« vorzulegen, der im Plenum debattiert und letztlich in namentlicher Abstimmung abgelehnt wurde.

In der Debatte sprach seitens der LINKEN im Abgeordnetenhaus von Berlin die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Marion Seelig. Ihre deutlichen Worte möchten wir hier dokumentieren:

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Es wäre schön, wenn die CDU mal mit Inhalten für die Berliner Politik auffallen würde, dann würden sich Bürgerinnen und Bürger vielleicht auch an den Namen Ihres Spitzenkandidaten erinnern. Aber der ganz tiefe Griff in die alte Mottenkiste der Drohung mit dem Kommunismus wird es nicht richten. Damit konnten Sie jahrzehntelang in Westberlin auf Stimmenfang gehen, was angesichts von Mauer, Stacheldraht und Systemauseinandersetzung nicht verwunderlich war.

Aber nach mehr als 20 Jahren deutscher Einheit steht die Berliner Linke in ganz besonderer Weise für ein Zusammenwachsen der Stadt. Wer soll Ihnen denn glauben, dass wir nach 9 Jahren Regierungsbeteiligung morgen bewaffnet die Räterepublik einführen?

Auch zum Stil hätte ich noch eine Anmerkung: Seit wann ist es üblich, dass Landesparlamente Entschließungen gegen Bundesvorsitzende konkurrierender Parteien verabschieden, da wäre uns im Laufe der Jahre sicher auch das eine oder andere eingefallen!

Ich muss Ihnen allerdings klar sagen, wenn mich jemand gefragt hätte: »Wo bitte geht’s zum Kommunismus?« hätte ich geantwortet: Das ist mir doch egal. Will da nicht hin. Ich bin demokratische Sozialistin, und selbst wenn es auch da viele Wege geben mag, so sind sie alle, wie der Name schon sagt, demokratisch.

Und das ist auch der Anspruch der Partei Die Linke, wie es am Montag zum Jahresauftakt Gregor Gysi noch einmal deutlich gemacht hat, aber auch Gesine Lötzsch wollte im Übrigen selbst im kritisierten Text nicht der Demokratie abschwören. Es steht ja noch etwas mehr drin als die auch hier zitierten »Wege zum Kommunismus«.

Denn es ist wohl wahr, dass im Verlauf der Geschichte alle Wege, die zum Kommunismus führen sollten, Millionen Menschen das Leben gekostet haben. Millionen wurden unter Stalin ermordet und versklavt, auch Unzählige, die an den Kommunismus glaubten. Die Blutopfer unter Mao, der Steinzeitkommunismus der Roten Khmer in Kambodscha, aber auch eine Komintern-Politik, die die KPD am Vorabend der Machtergreifung durch Hitler in die verheerende Sozialfaschismus-These manövrierte.

Die gewalttätigen Übergriffe auf Mitglieder des Vereins »17.Juni«e.V. und auf Vera Lengsfeld werden von uns ohne Wenn und Aber verurteilt. Es ist perfide, Opfer des Stalinismus anzugreifen, die jedes Recht dieser Welt haben gegen die Veranstaltung in der Urania zu protestieren und es ist ein Angriff auf die Versammlungs- und Meinungsfreiheit, die für uns konstituierend für Demokratie steht.

Ich hätte auch von den Veranstaltern der Luxemburg-Tagung gerne eine Distanzierung oder ein Bedauern gehört.

»Freiheit ist immer auch die Freiheit der Andersdenkenden«, um hier ein Luxemburg-Zitat wiederzugeben, dass in der friedlichen Revolution in der DDR eine große Rolle gespielt hat.

Die Debatte, die momentan geführt wird, hat sich aus meiner Sicht auch längst vom Anlass gelöst. Man hat den Eindruck, es geht vielen darum, das Ende der Geschichte herbeizureden, als wäre der momentane Zustand des Kapitalismus nicht überwindbar, als wäre es verboten, darüber hinaus zu denken. Dabei gibt unser Grundgesetz dafür den Raum. Es ist moderner als die CDU vermuten lässt, aber die erinnert sich ja auch nicht mehr an ihr Ahlener Programm.

Die Utopie von einer »Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden, die Bedingung für die Entwicklung aller ist« hieß auch Kommunismus, und Marx konnte nicht wissen, was Menschen bereit waren anderen Menschen anzutun für seine verheißungsvolle Zukunft.

Meine Damen und Herren, wir sind heute zu Recht allen Wahrheitsgewissheiten gegenüber skeptisch, weil Gesellschaft sich rasant verändert, weil wir uns verändern und weil neues und anderes ausprobiert werden muss. Deshalb sind mir die Gewissheiten einer Luxemburg-Tagung ebenso suspekt wie die derer, die noch immer glauben, in einer Frontstadt zu leben. Irgendwie dieselben alten Gegner!

Meine Fraktion ist davon überzeugt: Es gibt sehr viel mehr zu tun für die Bürgerinnen und Bürger in unserer Stadt.

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