Unrecht kennt keinen Verrat

27.05.2009

Zur anhaltenden Blockade der Rehabilitierung so genannter Kriegsverräter im Deutschen Bundestag, erklärt der Innenpolitiker und das Mitglied des Parteivorstandes, Jan Korte (MdB):

Das Verhalten der großen Koalition in Sachen Rehabilitierung verurteilter Kriegsverräter, 70 Jahre nach Ausbruch des mörderischen Feldzuges der Nazis und der Wehrmacht durch Europa, Asien und Afrika, ist schändlich und nicht mehr nachvollziehbar.

30.000 Todesurteile fällte die NS-Justiz unter anderem wegen Desertion, Kriegsdienstverweigerung und Kriegsverrats. 20.000 Urteile wurden vollstreckt. 2002 wurden die Urteile gegen Deserteure und Kriegsdienstverweigerer pauschal aufgehoben, nicht aber gegen so genannte Kriegsverräter. Deren Vergehen bestanden darin, Widerstand zu leisten, Juden zu verstecken, Kriegsgefangene menschlich zu behandeln.

Seit 2006 liegt ein Gesetzentwurf der LINKEN zur Rehabilitierung eben jener zum Tode Verurteilten vor. Seitdem bietet sich dem Beobachter ein Schauspiel, aus Hinhalte- und Parteitaktik und offensichtlicher Denunziation der Betroffenen. Zwar hat die SPD ihre anfänglichen Vorbehalte gegen die pauschale Aufhebung der Kriegsverratsurteile aufgegeben, will aber die Entscheidung darüber offenbar nicht zur Gewissensfrage machen und hält sich stattdessen an die Koalitionsdisziplin. Einen eigenen Gesetzentwurf, der intern bereits vorliegt und zwischen dem Justiz- und Verteidigungsministerium abgestimmt ist, soll deshalb nicht eingebracht und gleichzeitig dem LINKE-Gesetzentwurf nicht zugestimmt werden. Seit drei Jahren zögert die Union mit Hilfe der SPD eine Beschlussfassung über unseren Gesetzentwurf im zuständigen Rechtsausschuss hinaus, ohne die eine abschließende Beratung im Plenum in dieser Legislatur verhindert würde.

Die Union stemmt sich mit aller geschichtsrevisionistischen Macht gegen eine pauschale Aufhebung der Urteile, weil sie darin eine ‚Verunglimpfung der Arbeit der Juristen in der NS-Zeit’ sieht. Der Abgeordnete Norbert Geis (CSU), der diese Meinung äußerte, geht sogar noch einen Schritt weiter und behauptet, durch eine pauschale Aufhebung der Kriegsverratsurteile würden »alle Urteile zu Unrechtsurteilen«. Heißt dies etwa, es gab demnach auch berechtigte Todesurteile gegen Kriegsverräter.

Heute wurde erneut der Gesetzentwurf mit den Stimmen der Koalition von der Tagesordnung des Rechtsausschusses genommen. Darüber wird am Freitag in einer Plenardebatte ebenso zu reden sein, wie über den heute parallel und einstimmig gefassten Beschluss des mitberatenden Innenausschusses, wonach in der kommenden Sitzungswoche endlich über den Gesetzentwurf abgestimmt werden soll. Der gesellschaftliche Druck wächst.

Der Vorstoß der LINKEN wird nicht nur durch die Grünen, sondern auch durch die Evangelische Kirche, die Friedensgesellschaft der Katholischen Kirche, Pax Christi, den Verein »Gegen Vergessen e.V.«, zahlreiche Ex-Verfassungs- und Bundesrichter, eine Vielzahl von Juristen, Historikern und dem Juso-Bundesvorstand getragen.

Ich rufe erneut die Mitglieder der großen Koalition auf, den Weg für eine Rehabilitierung der Kriegsverräter frei zu machen, parteitaktische Spielchen endlich zu unterlassen und die Entscheidung im Bundestag als eine Entscheidung des Gewissens freizugeben. Bereits heute gibt es mit den Stimmen der LINKEN, der Grünen, der SPD bis in die Reihen der Union hinein eine Mehrheit für eine pauschale Aufhebung der Urteile. Es ist daher nicht haltbar, im Gedenkjahr 2009 auf Druck der Union Gerechtigkeit abermals den Betroffenen zu versagen.