Grußwort auf dem Symposium zum 70. Geburtstag von Prof. Dr. Joachim Perels

25.04.2012


Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Genossinnen und Genossen, vor allem aber lieber Joachim und liebe Jutta Perels,
ich bedanke mich sehr für die Einladung und die Möglichkeit, hier kurz sprechen zu dürfen. Zunächst aber, darf ich Dir, lieber Joachim, herzliche Grüße von Prof. Norbert Frei aus Jena übermitteln. In der vergangenen Woche erst war ich dort gemeinsam mit ihm auf einer Diskussionsveranstaltung. Dabei ging es um die zuvor erwähnte Große Anfrage meiner Fraktion zum Umgang mit der NS-Vergangenheit. Norbert Frei meinte – und das passt hier sehr gut hin – er habe mich natürlich auch eingeladen, weil ich ein Schüler von Joachim Perels sei. Also: Herzliche Geburtstagswünsche aus Jena.

Als die Linksfraktion im Jahre 2007 einen Gesetzentwurf zur Rehabilitierung der sogenannten Kriegsverräter in den Deutschen Bundestag einbrachte, ahnten wir alle nicht, dass die Diskussionen rund drei Jahre in Anspruch nehmen würden. Zu offensichtlich war doch selbst für Nicht-Experten der schreiende Unrechtscharakter der Kriegsverratsbestimmungen in der Fassung von 1934 (sic!). In der ersten Lesung des Gesetzentwurfes sagte der CDU/CSU-Bundestagabgeordnete Norbert Geis, ich zitiere:
»Man fragt sich natürlich, warum mehr als 60 Jahre nach Ende der Nazizeit immer noch die Forderung kommt, Urteile aus dieser Zeit pauschal aufzuheben. Pauschal heißt, ohne Prüfung des Einzelfalles, ohne sich die Frage zu stellen, ob einzelne Urteile damals, bei allen Abstrichen, die man machen muss, nach den damaligen Umständen nicht doch rechtens gewesen sein könnten.»

Bei diesen Aussagen stockt einem der Atem. Und es kommt einem fast so vor, als ob der Nazi-Richter und spätere Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Hans Filbinger, wieder auferstanden wäre. Als ehemaliger Student von Joachim Perels konnte ich allerdings der apologetischen Sichtweise sowohl wissenschaftlich als auch politisch klar und vehement widersprechen. In vielen Deiner Arbeiten hast Du den barbarischen Charakter der NS-Justiz nachgewiesen, besonders auch die Mörderjustiz der Wehrmacht. Im Sinne von Gustav Radbruch waren die Bestimmungen zum Kriegsverrat offenkundiger Teil des »gesetzlichen Unrechts». Die Wehrmachtsjustiz waren eben nicht von der Naziherrschaft abzutrennen. Denn sie war integraler Bestandteil der Terror- und Willkürherrschaft.
Dass der Bundestag dann im Jahre 2009 einstimmig, also von der CSU bis zur Linken, die pauschale Rehabilitierung dieser NS-Opfer beschlossen hat, war eine riesiger Erfolg. Dieser hatte etwas mit der Unterstützung von Menschen wie Helmut Kramer, der heute auch anwesend ist, mit Ludwig Baumann, mit engagierten Journalisten und mit vielen anderen couragierten Menschen zu tun. Der Erfolg ist aber auch Deiner unermüdlichen wissenschaftlichen Arbeit geschuldet. Die Delegitimierung der NS-Justiz, das Andenken Fritz Bauers und besonders die Erinnerung an die Opfer der Naziherrschaft waren und sind Dir immer ein Anliegen gewesen.

Ein zweite Sache konnte ich bei Dir, lieber Joachim, ebenfalls lernen: Die gesunde Empörung über Unrecht und apologetische Betrachtungsweisen von geschichtlichen Prozessen. Diese Empörung speiste sich immer auch dadurch, dass Du in Deiner wissenschaftlichen Arbeit die Perspektive der Opfer immer mit einbezogen hast. Ich erinnere mich an eine legendäre Podiumsdiskussion am Institut mit Rolf Pohl, Adelheid von Saldern, Dir und Harald Welzer zu Fragen der Charakterisierung von NS-Tätern. Während des Beitrages von Harald Welzer bist Du durch mehrmalige Zwischenrufe aufgefallen. Das ließ Welzer fragen, warum Du immer dazwischenrufen würdest. Deine Antwort: »Weil es mich aufregt!». Ich bin mir ganz sicher: Du wärst sicherlich auch ein richtig guter Abgeordneter geworden!

Ich erinnere mich sehr gerne an mein Studium bei Dir. An die Leidenschaft und Begeisterung mit der Du uns Studenten die Ideen, das Denken und Handeln und besonders die analytische Wirkmächtigkeit von Ernst Fraenkel, Franz Neumann und Herbert Marcuse dargelegt hast. Das hat uns Studenten ordentlich mitgezogen und vor allem zum eigenen Denken angehalten. Davon zehre ich noch bis heute.

Neben Deiner wissenschaftlichen Arbeit schätze ich Dich auch als engagierten, demokratischen Sozialisten. Die von Dir skizzierte Überzeugung, dass »die Idee einer freieren Gesellschaft kein leeres Postulat ist», ist Dir immer ein Antrieb gewesen. Viel Mitnehmen konnte ich auch von Deiner analytischen Schärfe und Deiner politischen Abgrenzung gegenüber jedweden autoritären Sozialismus. Du hast es immer so prägnant formuliert: Kein Sozialismus ohne demokratische Rechtsordnung. Diese Einschätzung teile ich aus ganzer Überzeugung. Sie ist mir bis heute ein unerlässlicher politischer Wegweiser.
Und ebenfalls spricht sehr für dich, dass Du sowohl die dogmatischen Linken, als auch die ehemaligen Linken, die sich eine Gesellschaft jenseits des Kapitalismus nicht mehr vorstellen können, zu Deinen politischen Gegnern zählen kannst. Daher verwundert auch Deine enge Bindung an Ernst Bloch nicht. Denn Deine Ansätze stehen dafür, dass »schon die Antizipation einer humaneren Ordnung eine mobilisierende Wirkung entfalten kann.»

Liebe Freundinnen und Freunde, lieber Joachim,
ich wünsche Dir alles Gute, Beste und viel Gesundheit. Dem heutigen Symposium wünsche ich interessante Debatten und die Beförderung des kritischen Denkens in diesem Land.
Ich hoffe, dass wir weiter gemeinsame Wege gehen werden. Denn das Streben nach einer Gesellschaft der Freien und Gleichen, eint uns. Dafür gibt es allerdings noch sehr, sehr viel zu tun. Dafür brauchen wir Dich.


Es gilt das gesprochene Wort vom 21.4.2012