Betroffene billig abgespeist

Das Konzept der Bundesregierung für Opfer der Colonia Dignidad stößt fraktionsübergreifend auf scharfe Kritik. Es sieht keine rechtlichen Ansprüche vor.

04.07.2018

Vor ziemlich genau einem Jahr hat der Bundestag die Bundesregierung einstimmig aufgefordert Verantwortung zu übernehmen und nach Jahrzehnten der Untätigkeit oder Komplizenschaft Maßnahmen zur „Aufarbeitung der Verbrechen in der Colonia Dignidad[1]“ (Drucksache 18/12943) zu ergreifen. Dafür sollten u.a. die strafrechtlichen Ermittlungen in Deutschland und in Chile vorangetrieben und eine Begegnungs- und Gedenkstätte aufgebaut werden. Vor allem aber sollte den früheren Bewohnern und den Opfern von Schäfers brutalem Treiben geholfen werden: mit psychosozialen Betreuungsangeboten etwa, aber auch mit konkreten Hilfsleistungen über einen Hilfsfonds. Für die Verteilung der Mittel sollte eine Kommission verantwortlich sein, der Vertreter der Ministerien und des Bundestages angehören sollten. Kurz nach Ablauf der Frist hat die Bundesregierung nun einen „Entwurf für ein Hilfskonzept“ vorgelegt.

Leider verdient das, was das Auswärtige Amt auf vier Seiten Papier zusammen getragen hat, den Namen Konzept überhaupt nicht. Eher hat man den Eindruck es handle sich um einen schlechten Scherz. Es könnte zwar ein Hilfsfonds eingerichtet werden, aber „Individualmaßnahmen, insbesondere Geldzahlungen an Einzelpersonen, sind dagegen nicht vorgesehen.“ Als erste konkrete Hilfsmaßnahme schlägt die Regierung ausgerechnet die Beschaffung von zehn neuen "Betten für die pflegebedürftigen Bewohner der Villa Baviera", unter denen sich zahlreiche Täter befinden, vor. Das ist völlig inakzeptabel, beschämend und widerspricht dem Geist des Bundestagsbeschlusses.

Für die deutschen Opfer der Sekte gibt es immerhin ein paar Vorschläge für Hilfsmaßnahmen. Diese beschränken sich aber auf Beratungs- und Betreuungsangebote, Veranstaltungen, Workshops zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt und Seminare zur Wohnungs- oder Ausbildungssuche, die in vielen Fällen völlig an den Bedürfnissen der Betroffenen vorbeigehen.

Wir erwarten, dass jetzt endlich einmal Butter bei die Fische kommt, dieses elendige Desinteresse und die Tatenlosigkeit ein Ende hat. Den Opfern muss schnell und unbürokratisch geholfen werden. Im Bundeshaushalt 2019 müssen konkrete Summen eingestellt werden, damit es so schnell wie möglich einen wirklichen Hilfsfonds geben kann, der auch individuelle Zahlungen für die zahlreichen Opfer in Chile und Deutschland, die oftmals in bitterster Armut leben, vorsieht.

DIE LINKE wird deshalb das vorgelegte „Konzept“ ablehnen und fordert eine unverzügliche Überarbeitung.

Über den „Entwurf der Bundesregierung für ein Hilfskonzept für die Opfer der Colonia Dignidad“ berichtet auch die taz:

"Betroffene billig abgespeist"[2] (taz vom 3.7.2018)

Links:

  1. http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/129/1812943.pdf
  2. http://www.taz.de/!5518834/