NS-Vergangenheit der Ministerien im Kulturausschuss

02.03.2012

Renommierte Historiker erläuterten dem Kulturausschuss am Mittwoch ihre Sicht zu personellen Kontinuitäten in Ministerien und Institutionen des Bundes seit dem Nationalsozialismus. Eine problematische Entwicklung, die Micha Brumlik auf den Punkt brachte: »So viel Kontinuität wie möglich, so viel Transformation wie nötig.« DIE LINKE setzt sich für eine flächendeckende Aufarbeitung der Ministerien und Institutionen ein.

Nachdem die Fraktion DIE LINKE das Thema der NS-Vergangenheit von Ministerien und Institutionen des Bundes in Form von Anfragen und Anträgen schon mehrfach in dieser Legislaturperiode zum Thema im Bundestag gemacht hat, haben sich auch die anderen Oppositionsfraktionen dieser Thematisierung angeschlossen. Im Kulturausschuss des Bundestages fand hierzu am 29. Februar 2012 eine Anhörung statt, zu der mehrere renommierte Historiker als Sachverständige eingeladen wurden.

Einig waren sich alle Sachverständigen, dass die Frage von Kontinuität und Bruch nach 1945 und speziell für die staatlichen Einrichtungen der Bundesrepublik ab 1949 und auch für die DDR weiter untersucht werden sollen. Nachdem in den letzten Jahren hier einige Studien auf den Weg gebracht wurden, ging es in der Anhörung vor allem um die Frage, wie umfassend und flächendeckend eine solche Aufarbeitung der staatlichen Eben sein soll und mit welchen Beschränkungen und Widerständen man es hier immer noch zu tun hat.

Während einzelne Sachverständige die große Integrationsleistung und den Bruch auch in den Institutionen nach 1949 hervorhoben, brachte Prof. Micha Brumlik die tatsächlich äußerst problematische Entwicklung in den frühen Jahren der Bundesrepublik auf den Punkt: »So viel Kontinuität wie möglich, so viel Transformation wie nötig.« Es seien eben gerade nicht die alten Nazis im frühen Staatsapparat der Bundesrepublik gewesen, die die Transformation zu einem demokratischen Staatswesen vorangetrieben hätten. Ganz im Gegenteil. Demokratisierung musste zunächst vor allem gegen den Widerstand der restaurativen Adenauer-Zeit erkämpft werden.

Während die CDU/CSU-Fraktion die meisten Fragen, die Erforschung personeller Kontinuitäten in Staat und Gesellschaft vor und nach 1945 betreffend, bereits für geklärt hält, vertraten die Sachverständigen eine gegenteilige Auffassung. So müsste überhaupt erst noch genauer erforscht werden, wie sich in den Jahrzehnten seit 1949 der Umgang mit der allseits bekannten Tatsache starker personeller und zum Teil auch institutioneller Kontinuitäten aus der Zeit des Nationalsozialismus veränderte. In diesem Zusammenhang sollten insbesondere die Fragen, wie sich dabei die Definitionen dessen, was überhaupt als eine nationalsozialistische Belastung angesehen wurde und wie sich mit Blick auf dieses Kriterium die Personalpolitik entwickelte, untersucht werden. Weitere wichtige Fragen würden sich mit Blick auf die betreffenden NS-belasteten Personen selbst stellen: Wie verlief der Prozess ihrer Transformation in die neuen politischen Verhältnisse? Welche Kontinuitäten und Diskontinuitäten ergeben sich dabei mit Blick auf Einstellungen, Verhaltensweisen und Praktiken in ihren neuen Dienststellen? Welcher Art waren also die Wechselwirkungen zwischen Anpassung an und Prägung der staatlichen Institutionen, in denen NS-belastete Personen nach 1945 beschäftigt waren?

Letztlich gehe es also darum, die post-nationalsozialistischen Transformationsprozesse jenseits der in West und Ost in jeweils unterschiedlicher Weise gültigen normativen Distanzierung vom Nationalsozialismus problemorientiert zu untersuchen.

Uneinig waren sich die Experten, ob es ein klares politisches Signal für eine flächendeckende Aufarbeitung der Ministerien und Institutionen (z.B. auch des Bundestages) durch die Politik geben soll. Die Fraktion DIE LINKE wird sich dafür einsetzen, dass ein solches Signal, verbunden mit der nötigen Finanzierung von wissenschaftlichen Studien, erfolgt und die Aufarbeitung nicht dem Gutdünken der einzelnen Ministerien überlassen bleibt. Voraussetzung einer kritischen Aufarbeitung dieses Teils der Geschichte ist es, dass alle Akten der Wissenschaft und der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Auch hierfür wird DIE LINKE weitere parlamentarische Initiativen vorlegen. Erst kürzlich hatte Jan Korte, Mitglied im Fraktionsvorstand, in einem Schreiben an Bundestagspräsident Norbert Lammert angeregt, dass nun auch endlich das Parlament die NS-Vergangenheit seiner Mitglieder aufarbeitet. Eine Antwort steht noch aus.