Beerdigung erster Klasse?
Lieber heute als morgen möchte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) den Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar loswerden. Nicht einmal bis zur Wahl eines Nachfolgers oder einer Nachfolgerin will er Schaars Amtszeit verlängern, die nach zehn Jahren am 17. Dezember endet. Dies ist bezeichnend und lässt für den weiteren Umgang mit dem Datenschutz in den kommenden Jahren nicht viel Gutes erahnen. Denn während Friedrich weiter als geschäftsführender Innenminister agieren kann, verwehrt er dies seinem Kontrolleur Schaar.
Da aufgrund des ungewissen Ausgangs des SPD-Mitgliederentscheids der Zeitpunkt einer Regierungsbildung unklar ist, könnte Friedrich also theoretisch durchaus eine längere Zeit ohne amtierenden Bundesdatenschutzbeauftragten zu Werke gehen. Vermutlich gehört das zu den kleinen Träumereien des Innenministers, der Datenschutz jenseits pflichtschuldigst vorgetragener Sprechblasen eher als Belästigung denn als Gestaltungsprinzip demokratischer Innenpolitik ansieht.
Angesichts des Umstandes, dass der Datenschutz nicht nur wegen der NSA-Spähaffäre, sondern unter anderem auch wegen der Debatten über die europäische Datenschutzgrundverordnung in den letzten Monaten eine gewachsene Bedeutung – und zwar quantitativ und qualitativ angesichts der permanenten, auf Dauer angelegten bekanntgewordenen Grundrechtsverletzungen – bekommen hat, war eine solche Ankündigung schon ein klares Statement. Auf meine schriftliche Frage, wann die Bundesregierung dem Bundestag denn einen Vorschlag zur Neuwahl des Bundesdatenschutzbeauftragten unterbreiten wird, damit eine schnellstmögliche Besetzung des Amtes gewährleistet ist, bekam ich nun immerhin die Antwort, dass dies nach der Regierungsbildung "zeitnah" erfolgen solle. Nun ja, man wird sehen, ob die Personalie tatsächlich bereits in der ersten Kabinettssitzung kommende Woche auf der Tagesordnung stehen wird.
Anti-Datenschützerin Voßhoff als Nachfolgerin von Schaar gehandelt
Dazu passen wie die Faust aufs Auge die Spekulationen über die Nachfolge von Peter Schaar., der in den vergangenen Jahren durchaus öfter die Bundesregierung wegen ihrer maßlosen Datensammelwut kritisiert hatte. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung sollen aktuell noch zwei Kandidaten im Gespräch sein. Favoritin für das Amt sei demnach die 55-jährige CDU-Politikerin Andrea Voßhoff aus dem brandenburgischen Rathenow. Die Juristin saß von 1998 bis zum September 2013 im Bundestag und fiel als Abgeordnete in dieser Zeit nie als Datenschützerin auf, im Gegenteil: Sie votierte nicht nur für die Vorratsdatenspeicherung und für Internetsperren, sondern auch für die völlig grundrechtswidrige Online-Durchsuchung, bei der mit Hilfe eines Staatstrojaners der Computer von Verdächtigen infiltriert wird.
Etwas besser kommt da schon der zweite Kandidat daher, wenn auch er nicht gerade als Speerspitze eines kritischen Datenschutzes bezeichnet werden kann. Aber immerhin ist der parteilose 48-Jährige Rolf Schwartmann, der als Juraprofessor lehrt, seit 2004 Vorsitzender der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit (gdd) und kennt sich mit dem Thema aus. Allerdings gilt die gdd, die sich "für einen sinnvollen, vertretbaren und technisch realisierbaren Datenschutz" einsetzt, nun eher als konservative Veranstaltung. Diese politische Ausrichtung stellte er auch als Sachverständiger für die Unionsfraktion zum Thema Urheberrecht unter Beweis.
Wie man es dreht und wendet, was sich noch kurz nach Merkels Handygate gut machte, erfährt derzeit eine Beerdigung erster Klasse: Von der Ankündigung, dass der Datenschutz künftig als "eine der sehr dringlichen Aufgaben der künftigen Großen Koalition" angepackt werden soll, ist nicht viel geblieben. Es scheint vielmehr so zu sein, dass sich staatliche Behörden, Polizei und Unternehmen Seit‘ an Seit‘ mit dem Datenschutz auf ruhigere Zeiten einstellen können. Für die Bürgerrechte würde es noch enger, wenn sich öffentlich eine wichtige Stimme weniger für die Begrenzung staatlicher und privater Datensammelei bemerkbar machen würde.
Erschienen auf linksfraktion.de, 13. Dezember 2013