Happy Birthday SPD!
Ich gratuliere der SPD, die heute mit dem Gedenken an die Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV) durch Ferdinand Lassalle am 23. Mai 1863 im Leipziger Pantheon ihr 160-jähriges Bestehen feiert. Sie ist damit die älteste noch bestehende Partei Deutschlands. Und auf ihre lange Parteigeschichte können Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten mit Recht stolz zurückblicken, denn die SPD hat die Geschichte der Demokratie in Deutschland entscheidend geprägt und sich dabei große Verdienste erworben. Sie ist sicher mehr als das oft von Linken wahrgenommene Bild einer Partei, die sich quasi gesetzmäßig vom staatsgläubigen, reformerischen Lassalleanertum über den Revisionisten Bernstein, der kriegsbejahenden Mehrheitssozialdemokratie bis hin zur sich im Kapitalismus einrichtenden Nachkriegs-SPD entwickelt hat. Dem Kollegen Merz ist durchaus zuzustimmen, wenn er feststellt, dass die Partei, die in den 160 Jahren ihrer Existenz die dunkelsten Stunden deutscher Geschichte erlebt hat, „ein unverzichtbarer Streiter für Gerechtigkeit und Demokratie« in diesem Land war und ist.“ So liegt ihr wesentliches Verdienst, bei aller Kritik, sicher in der Durchsetzung der sozialpolitischen Errungenschaften in der Nachkriegsbundesrepublik. Erinnert sei aber auch an Willy Brandt und dessen Ostpolitik, denn erst durch diese Friedens- und Entspannungspolitik konnte der Kalte Krieg überwunden und die Gefahr eines Dritten Weltkriegs für Jahrzehnte erfolgreich gebannt werden.
Als Linker blickt man dieser Tage durchaus etwas neidisch auf so viel Durchhaltevermögen und Stabilität. Denn die Sozialdemokratie ist in der Tat, nach herben Niederlagen und in scheinbar aussichtsloser Situation, trotz Verfolgung und Unterdrückung, immer wieder aufgestanden. Auch das verdient Respekt. Nicht vergessen sei an dieser Stelle, dass heute alle aus der Arbeiterbewegung hervorgegangenen Parteien auch etwas mitfeiern können. Denn immerhin hat es fast 55 Jahre gemeinsame Parteiengeschichte gegeben. Erinnert sei hier nur kurz an die Auseinandersetzungen zwischen „Lassalleanern“ und „Marxisten“, zwischen der Parteimehrheit und den „Jungen“, zwischen bernsteinschem Revisionismus und kautskyschem Parteimarxismus, zwischen Rechten, Zentrum und Linken in der Massenstreikdebatte, zwischen mehrheitssozialdemokratischer Burgfriedenspolitik und Kriegsgegnern, zwischen Rätetheoretikern und Verfechtern einer parlamentarischen Demokratie. Erst die große Spaltung, die das „kurze 20. Jahrhundert“ (Eric Hobsbawm) entscheidend mitgeprägt hat, beendete diese Phase einer pluralistischen Partei, die sich seit 1890 sozialdemokratisch nennt. Das Schisma innerhalb der Arbeiterbewegung, das bis heute fast pathologisch das Verhältnis zwischen SPD und Linkspartei stört, ist untrennbar mit der Zustimmung der Mehrheitssozialdemokratie zum Ersten Weltkrieg, aber auch mit der russischen Oktoberrevolution von 1917 verbunden.
Denn die Geschichte der SPD war eben auch geprägt von ihrer Haltung zu sozialistischen Ideen und ihrer Rolle bei der Niederschlagung der Novemberrevolution. Mit dem Ebert-Groener-Pakt wurde die Machtbasis für die Durchsetzung der mehrheitssozialdemokratischen Vorstellungen einer bürgerlichen Demokratie und der Beginn der Niederschlagung aller Bewegungen, die über die Parlamentarisierung und den Achtstundentag hinausgehende demokratische Ideen verfolgten, gelegt. Die Truppen des sozialdemokratischen Wehrministers Gustav Noske waren es, die die drei Führer der zur Jahreswende 1918/1919 neu gegründeten Kommunistischen Partei Deutschlands – Rosa Luxemburg, ihren Freund und Förderer Leo Jogiches und Karl Liebknecht – meuchlings ermordeten. Auch der Berliner Blutmai 1929 oder die Auseinandersetzungen um den Panzerkreuzerbau im gleichen Zeitraum waren sicherlich keine Ruhmesblätter für die Sozialdemokratie. Und sie trugen mit dazu bei, dass sich Kommunisten und Sozialdemokraten erst nach 1933 in den Konzentrationslagern im Widerstand gegen die Nazis vereinten. Erinnert sei auch an das 1959 in der Stadthalle von Bonn / Bad Godesberg mit großer Mehrheit verabschiedete "Godesberger Programm", mit dem sich die SPD endgültig von einer sozialistischen Arbeiterpartei hin zu einer Volkspartei wandelte, die sich zur kapitalistischen Marktwirtschaft und zur Landesverteidigung bekannte. Erinnert sei auch an den Radikalenerlass vom 28. Januar 1972 und die darauffolgende Berufsverbotepolitik. Erinnert sei aber auch an die Stationierung der Pershing-II-Raketen und den NATO-Doppelbeschluss vom Dezember 1979, der zu Massenprotesten und letztlich auch zur Gründung der Grünen führte. Erinnert sei an die Agenda 2010 und Hartz4 unter Bundeskanzler Schröder ab 2003. Nach gefühlten Ewigkeiten von „Großen Koalitionen“ unter Merkel steht die Scholz-SPD nun für „Zeitenwende“, Aufrüstung und eine immer krassere Verarmungspolitik. Es wäre schön, wenn sich die Sozialdemokratie anlässlich ihres heutigen Geburtstages wieder mehr auf ihre ruhmreiche Geschichte als Vertreterin der abhängigen Massen und Streiterin für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Demokratie besinnen würde. Nichtsdestotrotz: Happy Birthday SPD und auf weitere 160 Jahre!