Jan Korte, MdB (DIE LINKE) (www.jan-korte.de)

Artenschutz endet nicht an der Wasseroberfläche

20.10.2011

DIE LINKE hat im April dieses Jahres im Bundestag den Antrag gestellt, einen bundesweiten Kormoranmanagementplan zu erarbeiten und umzusetzen. Statt dieser Initiative zuzustimmen haben die Koalitionsfraktionen nun, fast ein halbes Jahr später, einen eigenen Antrag eingebracht, der dem Antrag der LINKEN in wesentlichen Punkten sehr nahekommt. Jan Korte kritisiert in seiner Rede diese Art der kleinlichen Auseinandersetzung bei einem Thema, welches sich denkbar schlecht für ideologische Grabenkämpfe eignet. Gleichzeitig ist es anzuerkennen, dass die Koalitionsfraktionen es offenbar verstanden haben, dass beim Kormoranmanagement nicht länger auf Europa gewartet werden kann und eine bundesweite Koordination von Maßnahmen zum Schutz der Artenvielfalt dringend vonnöten ist.

Jan Korte (DIE LINKE):

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich begrüße es ausdrücklich, dass die Koalitionsfraktionen es nun endlich geschafft haben, einen Antrag zum Kormoranmanagement zu erarbeiten, der - das begrüße ich natürlich auch - in weiten Teilen, sowohl in der Analyse, als auch in der Zielsetzung, dem Antrag der LINKEN nahe kommt, den wir im April dieses Jahres in den Bundestag eingebracht haben. Deshalb wundert es mich ehrlich gesagt, warum Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und FDP, so lange dafür gebraucht haben - Sie hätten einfach dem Antrag der LINKEN zustimmen können.

Als am 7. April im Bundestag über den Antrag der Linksfraktion »Ökosysteme schützen, Artenvielfalt erhalten - Kormoranmanagement einführen«, Drucksache Nummer 17/5378 diskutiert wurde, haben sich alle Fraktionen, mit Ausnahme der Grünen, die offenbar ein eher selektives Verständnis von Natur- und Artenschutz haben, für ein Kormoranmanagement ausgesprochen. Die Koalitionsfraktionen haben einen eigenen Antrag zum Kormoranmanagement angekündigt, der praktisch nur noch aus der Schublade geholt werden müsse.

Dass Sie nun so lange dafür gebraucht haben, würde ich Ihnen ja eigentlich nachsehen. Sie haben aber genau diesen Antrag als Grund dafür angeführt, den Antrag der LINKEN von der Tagesordnung des Agrarausschusses am 13. April 2011 zu nehmen, um ihn dann dort am 11. Mai mit den Stimmen der Jamaika-Koalition abzulehnen, um dann wiederum fast ein halbes Jahr nichts zu machen. Weil sich unser Antrag vom April diesen Jahres und Ihr jetzt vorgelegter Antrag nur in wenigen Punkten voneinander unterscheiden, frage ich mich, warum sie die paar Punkte, in denen Sie anderer Meinung sind als wir, nicht als Änderungsantrag eingebracht haben. Dann wären wir in dieser Sache, in der sich offenbar ein großer Teil dieses Parlaments einig ist, schon viel weiter und Sie hätten sich viel Arbeit erspart. Vor dem kommenden Winter, in dem wieder tausende Kormorane - gerade an den nicht zugefrorenen Fließgewässern - massiven Schaden anrichten werden, hätten es Fischereiberechtigte und Naturschützer gerne gesehen, dass der Bundestag in diesem Punkt einmal Einigkeit demonstriert hätte, statt sich in kleinlichen, parteipolitischen Auseinandersetzungen zu verlieren. Ich hätte das beim Thema Kormoranmanagement nicht für möglich gehalten, das muss ich an dieser Stelle einmal klar und deutlich sagen. Die Kormoranproblematik hätten Sie ausnahmsweise einmal sachlich und nicht ideologisch handhaben können.

Nun aber zu Ihrem Antrag. Zuerst einmal möchte ich einmal anerkennen, dass der vorliegende Antrag weiter geht als der FDP-Antrag in der vergangenen Legislaturperiode. Die Koalitionsfraktionen haben es offenbar verstanden, dass wir nicht länger auf Europa warten können, sondern dringend eine bundesweite Koordination von Maßnahmen gegen die viel zu hohe Kormoranpopulation brauchen. Das ist zuerst einmal sehr zu begrüßen.

Warum ein bundesweites Kormoranmanagement notwendig ist, sollte heute mittlerweile bekannt sein, die Argumente dafür haben wir bereits Anfang April im Plenum ausgetauscht. Zwei regionale Beispiele aus der jüngsten Zeit möchte ich aber hier noch einmal anführen. In den Gewässern Südsachsens ist der Bestand an Äschen 2010 auf 7 Prozent der Bestandes des Jahres 2001 reduziert worden, das hat eine Auswertung der Fangmeldungen ergeben. Und in Brandenburg sinkt nicht nur die Menge an produziertem Fisch, auch die Arbeitsplätze nehmen ab und immer weniger junge Menschen sehen in der Fischereiwirtschaft eine Zukunftsperspektive. Die kommerzielle Fischerei stellt, wie auch die Freizeitfischerei und der damit verbundene Tourismus gerade im Osten der Republik große Entwicklungspotentiale dar. Wenn wir die nicht mehr von der Natur zu kompensierenden, von Kormoranen verursachten Schäden, sowohl in den Flüssen, als auch in den Seen und Teichwirtschaften, nicht begrenzen, vergeben wir dieses Potential und entscheiden uns gegen regionale Wirtschaftskreisläufe, regionale Produktion und regionalen Tourismus. Das kann doch niemand ernsthaft wollen, erst recht nicht die Grünen, bei denen diese Schlagworte in jeder zweiten Broschüre zu finden sind. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, hätten beim Kormoranmanagement einmal die Chance, zu widerlegen, dass Sie sich bei Ihrer Artenschutzpolitik an der optischen Attraktivität von Tieren orientieren. Mit Ihrer Einstellung könnten Sie einen Zoo leiten, aber vom Artenschutz sollte man mit dieser Einstellung die Finger lassen. Denn Artenschutz endet nicht an der Wasseroberfläche!

Wir sind uns offenbar einig was die Regulierung des Kormoranbestandes zum Beispiel durch Maßnahmen zur Steuerung der Reproduktion angeht, wir fordern die Einhaltung der EU-Wasserrahmenrichtlinie, sowie die Gleichwertigkeit von Arten unter und über Wasser. Die Kollegin Stauche hat ja in Ihrer Rede zum Kormoranantrag der LINKEN gesagt, ein bundeseinheitliches Kormoranmanagement müsse an die Realität angepasst werden. Das, finde ich, ist eine richtige Aussage. Deshalb finde ich es auch gut, dass Sie sich an unserem realistischen Konzept ausgerichtet haben. Auch wenn die Richtung Ihres Antrags grundsätzlich richtig ist, bleibt er dennoch in einigen Punkten hinter unserem zurück.

Zum einen bei den Partnerinnen und Partnern, mit denen ein Management des Kormoranbestandes entwickelt wird. Sie nennen hier nur die Bundesländer. Deren Zuständigkeitsbereiche sind gerade in diesem Bereich klar und deshalb ist die Entwicklung und Koordinierung von Maßnahmen mit den Ländern eine Selbstverständlichkeit. Wir fordern in unserem Antrag die Beteiligung von Fischerei-, Naturschutz- und Angelverbänden an der Planung und vor allem auch an der Zielsetzung eines Kormoranmanagements. Bevor wir mit einem Management beginnen, muss doch erst einmal geklärt werden, wie hoch eigentlich das Bestandsziel beim Kormoran sein sollte. Darüber gibt es seit Jahren fachliche, aber eben auch sehr emotional geführte Diskussionen, das dürfte auch Union und FDP nicht entgangen sein. Die Einbeziehung der betroffenen Interessenverbände soll nicht nur wegen des Sachverstands von Fischern und Naturschützern geschehen, sondern auch, um alle Beteiligten in ein Boot zu holen und am Ende einen Konsens zu erreichen. In Dänemark hat dies geklappt, vielleicht schaffen wir es in der Bundesrepublik auch.

Zum zweiten fehlt es bei Ihnen an einer Entschädigungsregelung für betroffene Fischereiberechtigte und Teichwirte. Klar können Sie sagen, das ist Sache der Länder. Aber das sind die Kormoranverordnungen auch, die Sie harmonisieren wollen - auf einem guten Niveau, hoffe ich und nicht auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Es gilt hier für alle an einem Strang zu ziehen und dafür zu sorgen, dass es überhaupt einmal in allen Ländern Entschädigungszahlungen gibt, die sich an vergleichbaren Kriterien orientieren.

Und drittens hätte ich mich gefreut, wenn Sie unseren Vorschlag, ein grenzübergreifendes Kormoranmanagement im Ostseeraum als ersten Schritt zu einem Europäischen Kormoranmanagement auch übernommen hätten. Das könnten man als Ergänzung ja noch aufnehmen.

In unserer Debatte im April habe ich deutlich gemacht, dass DIE LINKE zu einem konstruktiven Dialog bereit ist, um über die Parteigrenzen hinweg konkrete Lösungen für den Artenschutz, für die Fischerei und für über drei Millionen Anglerinnen und Angler in der Bundesrepublik zu finden. Im Gegensatz zu Ihnen bewerten wir Anträge am Inhalt - und nicht daran, wer sie verfasst hat. Ich fordere Sie auf, sich bei den zukünftigen Beratungen ebenso offen für eine gemeinsames Vorgehen in dieser Sache zu zeigen. Und ich hoffe sehr, dass Ihr Antrag nach dieser ersten Lesung nicht wieder für Monate in den Schubladen verschwindet, sondern zügig mit Maßnahmen begonnen werden kann. An uns wird es nicht scheitern.

Zum Schluss möchte ich noch denjenigen danken, die trotz erheblicher Rückschläge immer daran festgehalten haben, die Artenvielfalt in den Gewässern zu erhalten. Ohne die Besatzmaßnahmen der Fischerei und der Anglerverbände müssten wir heute von vielen Fischarten in der Vergangenheitsform reden. Diesem unermüdlichen Einsatz gilt unser voller Respekt.

Vielen Dank.

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