Jan Korte, MdB (DIE LINKE) (www.jan-korte.de)

Ein Beschäftigtendatenschutzgesetz im Sinne der Konzerne

25.02.2011
Jan Korte, DIE LINKE: Ein Beschäftigtendatenschutzgesetz im Sinne der Konzerne

Jeder siebte Betrieb verstößt gegen die Persönlichkeitsrechte seiner Beschäftigten. Nur mit einem eigenständigen und brauchbaren Arbeitnehmerdatenschutzgesetz, wie es DIE LINKE seit langem fordert, kann dieser unhaltbare Zuständ bekämpft werden. Mit einem Wischiwaschi-Entwurf wie dem heute von der Bundesregierung eingebrachten Gesetz, das im Zweifel den Arbeitgebern Recht gibt, ist den Beschäftigten nicht geholfen, so Jan Korte in seiner Rede zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die beiden Redner der Koalition, das ist in der Tat interessant, kündigen schon bei der Einbringung des eigenen Gesetzentwurfs bedeutende Änderungen an. Vielleicht machen Sie das in Zukunft vorher. Dann könnten Sie mit mehr Güte der Opposition rechnen. Das als kleiner Verfahrenshinweis.
[Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Michael Frieser (CDU/CSU): Dann bräuchten wir Sie nicht mehr, Herr Korte!]

Aber gut, der Gesetzentwurf ist nun eingebracht. Ich will ein Beispiel dafür geben, worum es hier eigentlich geht. Im Bericht des Landesdatenschutzbeauftragten von Sachsen-Anhalt wird der Fall eines Discounters beschrieben. Dieser Discounter hat Privatdetektive engagiert, angeblich um Ladendiebstahl aufzudecken. So weit, so nachvollziehbar. Real waren die Detektive aber für etwas ganz anderes da, nämlich für die Ausforschung und die Beobachtung sowie die Kontrolle des Verhaltens der Mitarbeiter. Dort ist beispielsweise protokolliert worden ich zitiere: Frau K. ist im sechsten Monat schwanger. Oder: Frau G. tätigt während der Pause Privateinkäufe. Solche Beispiele gibt es reihenweise.

Das zeigt eines, nämlich dass ein solches Vergehen in diesem Land nicht die Ausnahme, sondern mittlerweile die Regel ist. Deswegen brauchen wir Schutz für die Beschäftigten und nicht so einen Wischiwaschi-Gesetzentwurf, wie er vorliegt.
[Beifall bei der LINKEN]

Fehlender Datenschutz, fehlende Arbeitnehmerrechte betreffen natürlich in ganz besonderer Art und Weise - darauf will ich eingehen - diejenigen, die in prekärer Beschäftigung sind. Die unteren Lohngruppen betrifft es besonders. Den Leuten dort muss man unbedingt helfen. Das gilt besonders angesichts der Tatsache, dass prekäre Beschäftigung, Minijobs, Midijobs - das ist übrigens von allen anderen Parteien außer der Linken politisch gewollt - weiter ausgebaut werden.
[Gerold Reichenbach (SPD): Das ist ja Quatsch!]
Diesen Zwischenruf hätte ich mir an Ihrer Stelle verkniffen; denn die Explosion der Anzahl der prekären Beschäftigungsverhältnisse ist in der Regierungszeit der SPD geschehen.

Wir brauchen deswegen ein eigenständiges Arbeitnehmerdatenschutzgesetz und nicht sozusagen ein Anklatschen an das Bundesdatenschutzgesetz.
[Beifall bei der LINKEN]

Weil Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen - es heißt »abhängig Beschäftigte« - ist es natürlich ganz entscheidend, dass insbesondere sie mehr Rechte, im Übrigen auch stärkere Gewerkschaften, brauchen. Bei Ihren Abwägungen, die Sie dargestellt haben, besteht das Problem, dass Sie zugunsten der Arbeitgeber abgewogen haben. Wir aber wollen zugunsten der Arbeitnehmer abwägen. Das ist der entscheidende Unterschied.
[Beifall bei der LINKEN]

Die Hans-Böckler-Stiftung hat vor kurzem das Ergebnis einer Abfrage unter Betriebsräten veröffentlicht. Die entsprechenden Zahlen zeigen, dass im Schnitt jeder siebte Betrieb grundsätzlich und massiv gegen den Datenschutz und die Persönlichkeitsrechte seiner Beschäftigten verstößt. Das muss man sich einmal vorstellen: jeder siebte Betrieb. Aufgrund dieser unhaltbaren Zustände ist der von Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf völlig ungenügend. In ihm wurde eine Abwägung zugunsten der Arbeitgeber getroffen. Das kann doch angesichts der Zustände, die wir Woche für Woche hier erleben, nicht sein.
Ich komme jetzt zu einer, wie ich finde, besonders bizarren Finte, die Sie hier eingebaut haben. Sie haben es eben selbst angesprochen und als eine Verbesserung dargestellt. Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man von einem guten Gag sprechen. Sie sagen nämlich, dass Sie die illegale Videoüberwachung verbieten wollen.
[Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister: Die heimliche!]
Die heimliche Videoüberwachung. Man kann auch illegale Videoüberwachung sagen. Sie wollen also die heimliche Videoüberwachung verbieten. Jetzt kommt aber der Hammer: Als Alternative führen Sie eine flächendeckende offene Videoüberwachung ein. Das ist doch absurd; das kann doch nicht der Weg sein.
[Beifall bei der LINKEN]

Ein weiterer Einwand betrifft § 32. Der Minister ist vorhin diesbezüglich zu einer richtigen Erkenntnis gekommen. Ich verstehe nur nicht, warum er sie nicht in den Gesetzentwurf hat einfließen lassen. Ich zitiere:
»Mit Einwilligung des Beschäftigten darf der Arbeitgeber auch bei sonstigen Dritten personenbezogene Daten des Beschäftigten erheben.«
Das ist doch absurd. In der Realität sieht es einfach so aus, dass der Chef sagt: Wenn du nicht einwilligst, ist dein Bewerbungsverfahren beendet. Ich kann also nicht verstehen, dass Sie diesen Satz in den Gesetzentwurf hineingeschrieben haben.
[Beifall bei der LINKEN - Michael Frieser (CDU/CSU): Deshalb steht er ja da drin!]

Abschließend möchte ich sagen: Dieser Gesetzentwurf ist im Sinne der großen Konzerne. Auch wenn man sich ihn in mühevoller Kleinarbeit durchliest, kann man keine Richtungsänderung erkennen. Ein brauchbares Arbeitnehmerdatenschutzgesetz - das ist der Kern - muss man in diesen Zeiten als Arbeitnehmer am besten als Fibel in der Tasche haben, um dem Chef sagen zu können: Das, was du von mir verlangst und was du mit meinen Persönlichkeitsrechten machst, ist nicht erlaubt.
So etwas brauchten wir. Leider ist das in diesem Gesetzentwurf noch nicht einmal ansatzweise geregelt. Deswegen werden wir ihn so, wie er ist, ablehnen. Aber wie wir nun einmal sind, werden wir natürlich versuchen, konstruktiv mitzuarbeiten. Nur leider hören Sie nicht auf die klugen Ratschläge der linken Opposition.
Danke.
[Beifall bei der LINKEN - Dorothee Bär (CDU/CSU): Welche klugen Ratschläge? - Gisela Piltz (FDP): Wenn ich sie klug finden könnte, wäre es hervorragend!]

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