Jan Korte, MdB (DIE LINKE) (www.jan-korte.de)

Heilsversprechen Internetsicherheit

03.07.2009

Identitätssicherung bedeutet mehr als die bloße Identifizierung einer Person. Sie ist vielmehr die Sicherung individueller Freiheit und Freizügigkeit, von unbeobachtetem Handeln und Wandeln bei gleichzeitigem Schutz gegen Betrug und Missbrauch, so Jan Korte in seiner Rede zum Antrag der Koalition zur »Förderung von Vertrauen, Sicherheit und Datenschutz in E-Government und E-Business«

Sehr geehrter Herr Präsident,
werte Kolleginnen und Kollegen,

der Titel des Antrages der Koalition, der heute Gegenstand der Beratungen ist, klingt verheißungsvoll, fast könnte man meinen, die Union und SPD wollten vor sich selber warnen. Und den ersten vier Sätzen im Feststellungsteil kann DIE LINKE auch noch vollauf zustimmen. Dann allerdings wird es bereits kompliziert und politisch geht es in die völlig falsche Richtung. Am Ende steht der Versuch sich auf den letzten Drücker mit diesem Antrag quasi eine Blankovollmacht für ein weiteres, in seinen Ausmaßen und Konsequenzen noch überhaupt nicht abzusehendes, Großprojekt zu erteilen. Doch der Reihe nach.
Ihre Sorge gilt in erster Linie dem elektronischen Geschäftsverkehr. Das für diesen notwendige Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die elektronischen Kommunikationsdienste ist nicht zuletzt durch die regelmäßig auftretenden Datenschutzskandale empfindlich gestört. Nun soll durch eine Gesamtstrategie, die u.a. die Einführung eines elektronischen Identitätsnachweises und einer elektronischen Signatur sowie von DE-Mail und Bürgerportalen enthält, das Vertrauen wieder hergestellt werden.

Ihr Antrag liest sich dann auch wie ein Heilsversprechen. Sie suggerieren, dass sich mit ihren Projekten, die allesamt datenschutzrechtlich und technisch umstritten, teilweise noch nicht machbar und schon gar nicht praxiserprobt sind ein Höchstmaß an Sicherheit für Bürgerinnen und Bürger sowie den Geschäftsverkehr im Netz erreichen ließe.

Aber Sie wissen es so gut wie ich: Jedem Menschen, der jemals einen Geldautomaten oder einen PC benutzt hat, ist klar, dass Computer regelmäßig versagen. Einen absoluten Schutz vor Manipulationen kann und wird es nicht geben. Und wenn man sich dann die Mühe macht und Ihre angeblich so sicheren neuen Lösungen hinterfragt und etwas genauer ansieht, dann kommt man zu dem Ergebnis, dass etwas mehr Datensicherheit mit sehr viel mehr Überwachung, Monopolisierung von Programmen und Hardware erkauft werden soll. Mit Datenschutz, mit der Förderung von Vertrauen, die auch mit Vorleistungen staatlicherseits zu tun hätte, hat Ihr Antrag nichts im Sinn.

Datenschutz ist natürlich unlösbar mit dem Aufkommen der Computer-Technologie und den immer größeren technischen Möglichkeiten, persönliches Verhalten automatisiert zu registrieren, personenbezogene Daten auszuwerten, miteinander zu verknüpfen und daraus Schlüsse zu ziehen, verbunden. Darüber hinaus gewinnt in einer digitalen Welt die Frage, wie bei elektronischen Diensten die Identität der Beteiligten festgestellt und geschützt werden kann und welche Daten dabei offenbart werden, immer mehr an Bedeutung.

Identitätssicherung ist allerdings mehr als die bloße Identifizierung einer Person. Sie ist vielmehr die Sicherung individueller Freiheit und Freizügigkeit, von unbeobachtetem Handeln und Wandeln bei gleichzeitigem Schutz gegen Betrug und Missbrauch. Die Sicherung von unbeobachtetem Handeln und der Schutz davor, dass Daten aus allen möglichen Bereichen über Bürgerinnen und Bürger zu Persönlichkeitsprofilen zusammengeführt werden, stellt eine Grundbedingung eines grundrechtskonformen ID-Management dar.

Sie hingegen versuchen uns weiszumachen, dass Identitätsmanagement eine umfassende Personalisierung, Registrierung und Kontrolle bedeutet.

Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition: Das Gegenteil ist der Fall!
Die in § 3a des Bundesdatenschutzgesetzes enthaltenen Vorgaben Datenvermeidung und Datensparsamkeit müssen der Maßstab sowohl für die Kommunikation zwischen den Bürgerinnen und Bürgern mit staatlichen Stellen als auch bei kommerziellen Transaktionen jeder Art sein.
Liest man Ihren Antrag kritisch, können einem schon erhebliche Zweifel kommen. Sie wollen unter dem Stichwort E-Government alle möglichen Behörden und Institutionen miteinander vernetzen. Wie dabei die »informationelle Gewaltenteilung« bestehen bleiben soll, also die Trennung zwischen den von verschiedenen Verwaltungsbereichen für unterschiedliche Zwecke erhobenen Daten, das behalten Sie für sich.

Auch stellt sich nach wie vor die Frage, ob das von Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung getragene Projekt DE-Mail, ebenso wie DE-Safe, technisch überhaupt ausgereift genug sind, um damit Pilotprojekte zu starten. Die damit in Zukunft mögliche Verknüpfung des Identitätsmanagement im Internet mit der sowie schon angestrebten Erfassung des Fingerabdrucks gibt gleichfalls nach wie vor großen Anlass zu Sorge. Das bislang eher aus Science-Fiction-Romanen bekannte Risiko eines Identitätsdiebstahls oder seiner Verfälschung könnte schon sehr bald real werden.

Bei der Verabschiedung des Gesetzes über die Einführung eines elektronischen Personalausweises verkaufte uns die SPD-Fraktion die Freiwilligkeit der Abgabe von Fingerabdrücken noch als großen Sieg gegen CDU/CSU und für die Bürgerrechte. Angesichts des vorliegenden Antrages und der darin in Zukunft möglich gewordenen Verknüpfung des geplanten sicheren Internet-Verkehrs und der Abgabe von Fingerabdrücken im elektronischen Personalausweis ist der Koalitionskompromiss aus 2008 ein Pyrrhussieg der SPD.

Der Vertrauensvorschuss, den Sie einmal mehr von Bürgerinnen und Bürgern und auch von uns als Opposition verlangen ist schlichtweg zu hoch. Die ganze Legislaturperiode ist ein einziges vernünftiges Argument dafür, dass Misstrauen in Ihre Projekte in diesem Bereich das einzig mögliche angemessene Verhalten ist.

Zu mehr Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, das lässt sich schon heute prognostizieren, ohne dass man dafür ein Prophet sein muss, wird Ihre Gesamtstrategie nicht führen. Dies hat selbst BKA-Präsident Zierke in Bezug auf die Einführung des ePass, wie auch die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion einräumen müssen.

Sie wollen jetzt, am letzten regulären Sitzungstag dieser Wahlperiode und noch dazu zu nachtschlafender Zeit eine Generalvollmacht für die Fortsetzung und Ausweitung einer High-Tech-Kommunikationsstrategie durch das Parlament peitschen, obwohl wesentliche Punkte Ihrer Strategie völlig unklar bleiben, rechtlich umstritten und noch dazu zahlreiche technische Fragen nach wie vor ungeklärt sind.

DIE LINKE kann einer solchen, an den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger vorbeigehenden Sicherheitspolitik nicht zustimmen.

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