Jan Korte, MdB (DIE LINKE) (www.jan-korte.de)

»Entschädigung für Opfer nationalsozialistischer Verfolgung»

01.12.2006

Vor 60 Jahren hat das Bundesverfassungsgericht die KPD verboten. Dieses Zeugnis des Antikommunismus in der alten West-BRD hatte auch zur Folge, dass Kommunistinnen und Kommunisten, die während der NS-Diktatur Opfer von Verfolgung waren, im Nachgang des Verbotverfahrens mit strafrechtlichen Konsequenzen zu rechnen hatten. Jan Korte fordert in seiner Rede im Deutschen Bundestag, dass auch Kommunisten die vollen Entschädigungsleitungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz ausgezahlt werden.

Sehr geehrter Herr Präsident,
werte Kolleginnen und Kollegen,

am 17. August 1956 hat das Bundesverfassungsgerichts auf Antrag der Bundesregierung unter Konrad Adenauer (CDU) die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) verboten. Parallel zu dem fünfjährigen Verfahren wurden verschiedene Attacken im Zuge eines antikommunistischen Konsenses der politischen Klasse und antikommunistischer Hysterie im Zuge der Systemauseinandersetzung gegen Kommunistinnen und Kommunisten gefahren.

Rund 80 kommunistische Organisationen und Bündnisgruppen wurden zwischen 1951 und 1958 verboten. 200.000 Personen waren von staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren betroffen. Über 10.000 Verurteilungen waren Folge dieser. Unter den Verurteilten befanden sich nicht nur Personen die aktiv waren in kommunistischen Organisationen oder der Kommunistischen Partei. Auch das Engagement in Gruppen oder Initiativen wie zum Beispiel im »Hauptausschuss für Volksbefragung über die Wiederbewaffnung» oder in der »Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft» konnte empfindliche Strafen oder die Einschränkung von Bürger- und Freiheitsrechten nach sich ziehen.

Auch Anhänger bürgerlicher Parteien oder Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei (SPD) die aktiv waren in diesen oder ähnlichen Bewegungen wurden zu Opfern politischer Justiz in den ersten beiden Jahrzehnten des Bestehens der Bundesrepublik Deutschland.

Viele der damals mit friedlichem Protest politisch engagierten Menschen waren zuvor Opfer der nationalsozialistischen Diktatur. Viele verbüßten mehrjährige Zuchthaus- oder KZ-Haftstrafen, wurden gefoltert und misshandelt. Viele befanden sich im Untergrund und kämpften gegen das menschenverachtende Regime der Nazis. Derartige Erfahrungen und das erlittene Leid unter dem NS-Regime waren für viele Beweggründe sich gegen die Wiederbewaffnung Deutschlands oder für die Verteidigung der Demokratie in Westdeutschland zu engagieren.

Wir, die Fraktion DIE LINKE. wollen mit dem nun vorliegenden Antrag ein besonderes moralisches Unrecht aufheben helfen.

Es ist unserer Ansicht nach moralisches Unrecht und juristisch nicht hinnehmbar, wenn Opfer nationalsozialistischer Verfolgung aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der 1956 verbotenen Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) oder wegen politischer Tätigkeit als Kommunisten nach 1949 die ihnen zustehende Entschädigungsleistungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz nicht erhalten (haben) oder schon gezahlte Entschädigungen wieder zurückzahlen mussten.

Kommunisten, die wegen Widerstands gegen das NS-Regime im Konzentrationslager oder in den Fängen der Gestapo litten, haben wie andere Opfer nationalsozialistischer Verfolgung Anspruch auf Entschädigungsleistungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz erworben und zudem unsere höchste Anerkennung.

Im Zuge des Kalten Krieges und des Antikommunismus in der Bundesrepublik Deutschland wurde aber Mitgliedern der KPD eine Entschädigung verweigert oder gar die schon geleistete wieder zurück gefordert.

Unser Antrag hat das Ziel, noch lebenden und bereits verstorbenen Kommunistinnen und Kommunisten, die Opfer nationalsozialistischen Terrors waren, eine moralische, politische und juristische Anerkennung ihrer im Widerstand gegen das Nazi-Regime erbrachten Opfer durch die Bundesrepublik Deutschland zu Teil werden zu lassen, und sie endlich auch auf dieser Ebene anderen Opfern nationalsozialistischer Verfolgung gleich zu stellen.

Der derzeitige § 6 Abs. 1 Nr. 2 BEG legt fest, dass Personen, die nach dem 23. Mai 1949 die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekämpft haben, von Entschädigungsleistungen ausgeschlossen sind. In § 6 Abs. 3 BEG wird geregelt, dass ein Anspruch auf Entschädigung verwirkt ist und Leistungen zurück gefordert werden können, wenn Ausschlussgründe nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 vorliegen. Selbst Leistungen, die nach Feststellen des Ausschlussgrundes gezahlt wurden, können zurückgefordert werden.

Für Entschädigungsleistungen sollte meiner Meinung nach ausschließlich, wie es das Vorwort des Bundesentschädigungsgesetzes auch formuliert, die »Wiedergutmachung für erlittenes Unrecht» das entscheidende Kriterium sein, weil der »geleistete Widerstand ein Verdienst um das Wohl des deutschen Volkes und des Staates» war. Die Ausgrenzung von Kommunistinnen und Kommunisten aus den Opferentschädigungsleistungen mag der juristischen Umsetzung der Logik des Kalten Krieges entsprochen haben. Sie aufrecht zu erhalten, widerspricht heutigen rechtsstaatlichen Grundsätzen und dem moralischen Verständnis vieler in diesem Lande. Dies ist umso bedrückender, als dass die Grundlage für den Ausschluss von Entschädigungsansprüchen die Urteilssprüche von Staatsanwälten und Richtern waren, die als Täter bereits unter dem Naziregime politische Prozesse geführt hatten und nun nach 1949 erneut über Widerstandskämpfer zu Gericht saßen.

Auch das Verbot der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) kann eine juristische Abwertung und die moralische und soziale Ausgrenzung der kommunistischen Opfer des Nazi-Regimes – das bedeutet nämlich die Verweigerung der Entschädigungsleistung bis heute - weder juristisch noch moralisch rechtfertigen.

Deshalb streiten wir mit unserem Antrag nicht nur um Wiedergutmachung für die Opfer der NS-Herrschaft. Nein, wir suchen auch nach einem breiten gesellschaftlichen und parlamentarischen Konsens in dieser Frage. Auch deshalb bitte ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, dem Ansinnen unseres Antrages zu folgen und die Bundesregierung aufzufordern,

das Bundesgesetz zur Entschädigung für Opfer nationalsozialistischer Verfolgung dahingehend zu ändern, dass sichergestellt wird, dass,

• Personen von Entschädigungsleistungen nach diesem Gesetz nicht wegen Mitgliedschaft in der oder einer legalen Tätigkeit für die damalige Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) ausgeschlossen werden;
• Personen von Entschädigungsleistungen nach diesem Gesetz nicht ausgeschlossen werden, wenn sie sich als Kommunisten politisch betätigten;
• schon geleistete Entschädigungen, die nach § 6 Abs. 3 BEG zurückgezahlt wurden, den Betroffenen oder ihren Erben ausgezahlt werden.

Vielen Dank!

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