Jan Korte, MdB (DIE LINKE) (www.jan-korte.de)

Schlapphüte haben jegliche Legitimität verloren

25.01.2013

Jan Korte, Leiter des Arbeitskreises Demokratie, Kultur, Wissen und Bildung und Mitglied des Vorstandes der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, über die andauernde Bespitzelung von LINKE-Abgeordneten durch den Inlandsgeheimdienst

Innenminister Friedrich ist wohl auch Opfer von Merkels Krisenpolitik geworden und muss Spitzel sparen. Oder wieso lässt er DIE LINKE nicht länger komplett durch den Inlandsgeheimdienst ausspionieren?

Jan Korte: Das ist nicht ganz die richtige Fragestellung: Wenn in der Krise Arbeitsplätze sicher sind, sind es die der Geheimdienste - wie ja auch die gestiegenen Personalmittel des Verfassungsschutzes im neuen Haushalt zeigen. Davon abgesehen ist ja noch gar nicht klar, inwiefern sich die angekündigten Änderungen auf die tatsächliche Praxis auswirken werden. Und den Aussagen sollte man generell misstrauen.

Der Bundestag soll bereits im November über die geänderte Bespitzelung informiert worden sein. Wieso dann jetzt erst die Aufregung?

Ich habe mich schon im Herbst letzten Jahres darüber aufgeregt, dass Minister Friedrich die Beobachtung komplett aufrechterhalten will, während sich der neue Verfassungsschutzchef Maaßen damals deutlich zurückhaltender geäußert hat. Ich könnte mir vorstellen, dass die Anhörung des Immunitätsausschusses letzte Woche die Journalisten nun wieder auf die Spur gebracht hat. Aufregen müssten wir uns alle aber doch vor allem darüber, dass überhaupt ernsthaft die Beobachtung aufrechterhalten wird. Es war und ist unerträglich einen Inlandsgeheimdienst parteipolitisch zu benutzen.

Haben Sie Erkenntnisse darüber, wie die einzelnen Abgeordneten konkret bespitzelt werden?

Sowohl Bundesregierung als auch das Bundesamt für den Verfassungsschutz behaupten, dass nur öffentlich zugängliche Quellen ausgewertet würden. Daran gibt es zumindest begründete Zweifel, wie im Falle Ramelow. Und in den Ländern gab es in den letzten Jahren immer mal wieder Fälle, in den der Verfassungsschutz auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln DIE LINKE und ihre Abgeordneten ausforschte. Erst jüngst wurde in Thüringen bekannt, dass das dortige Landesamt versucht hat einen Mitarbeiter unserer Landtagsabgeordneten Katharina König als Informanten anzuwerben. Der Fall ist besonders brisant, weil Katharina versucht, die Machenschaften des Verfassungsschutzes im Thüringer NSU-Untersuchungsausschuss aufzudecken. Und bis heute verweigert der Verfassungsschutz die Aussage zu V-Leuten, die gegen Partei und Fraktion eingesetzt werden. Es ist also keineswegs so harmlos, wie es die Behörden immer mit dem Bild der zeitungslesenden Beamten darzustellen versuchen.

Wie wird dadurch die Arbeit der Abgeordneten beeinträchtigt?

Aus meiner eigenen Erfahrung als direkt gewählter Abgeordneter weiß ich, dass viele Bürgerinnen und Bürger, die mit all ihren persönlichen Problemen in meine Bürgersprechstunden kommen, extrem verunsichert sind, weil sie nicht sicher sein können, dass die Gespräche mit ihrem Abgeordneten keinesfalls irgendwie und irgendwann bei Dritten landen. Diese Menschen haben aber ein Recht darauf, dass die Gespräche vertraulich bleiben. Und sie können natürlich auch nicht sicher sein, ob ihr Besuch, ihr Kontakt, ihr Interesse an der Partei DIE LINKE nicht auch mit negativen Folgen für sie selbst registriert wird. DIE LINKE ist in besonderer Weise getroffen, da sie stets offene Bürgerbüros hat, Hartz IV-Beratungen anbietet, sich um die Alltagsprobleme wie Mieterhöhungen kümmert und so engen Kontakt zu vielen Menschen hat. Und es ist klar, dass die Überwachung der Abgeordneten neben dem Schüren von Misstrauen natürlich auch als ein Affront gegen die Wahlentscheidung der Menschen vor Ort gedacht ist. Sie haben nach Ansicht des Verfassungsschutzes und der CDU/CSU »Extremisten« gewählt. Diese Diskreditierung der Opposition verstößt eindeutig gegen die Grundideen eines demokratischen Rechtsstaates und führt zu einer Verzerrung des politischen Wettbewerbs.

Ist es eigentlich international üblich, dass eine Regierung mit Hilfe ihres Inlandsgeheimdienstes gewählte Volksvertreter überwachen lässt?

Zumindest aus der EU ist mir kein Land bekannt, in dem Abgeordnete mit der ausschließlichen Begründung, Mitglied einer verfassungsfeindlichen Partei zu sein, vom Inlandsgeheimdienst beobachtet werden. Mit dieser Zielstellung des Inlandsgeheimdienstes steht die BRD ziemlich solo da.

Die Grünen kündigen jetzt an, DIE LINKE von der Überwachung befreien zu wollen. Hat denn DIE LINKE selbst bislang nichts gegen die Bespitzelung unternommen?

Doch natürlich. Wir haben schon vor längerem Anträge gegen die Beobachtung der Abgeordneten eingebracht. Und wir führen seit Jahren Klagen gegen die Beobachtung und anderes mehr. Bisher konnte sich allerdings noch kein Gericht einigermaßen konsequent aus dem langen Schatten des Kalten Krieges befreien, indem es diesen Unsinn einfach für rechtswidrig erklärt. Ich hoffe, dass sich das demnächst endlich bei der Verhandlung über die Klage von Bodo Ramelow vor dem Bundesverfassungsgericht ändert. Entscheidend ist aber auch hier der politische Druck aus den Wahlkreisen, von Wissenschaftlern, Kulturschaffenden, Gewerkschaften und Leuten, die mehr Demokratie wollen.

Sehen Sie eine Chance, dass ihre Bundestagskolleginnen und -kollegen von Union, SPD und FDP in dieser Frage die freie Ausübung des Abgeordnetenmandats über parteipolitische Interessen stellen?

Bei den Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen ist das mittlerweile der Fall und obwohl es eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, freut mich das. Anders sieht es bei der Koalition aus. Die Vertreter der selbsternannten Bürgerrechtspartei FDP halten sich auch in dieser Frage einmal mehr bedeckt und bei der Union herrscht nach wie vor ein Denken in den Kategorien des Kalten Krieges und ein sehr spezielles Demokratieverständnis vor. Aber natürlich werden auch sie über kurz oder lang diese politische Instrumentalisierung der Geheimdienste einstellen müssen, weil in der Öffentlichkeit ja kein Mensch ihre hanebüchenen Begründungen versteht. Letztlich haben die jahrelangen Skandale des so genannten Verfassungsschutzes und seine Verwicklungen in die NSU-Mordserie zu Recht zum Verlust jeglicher Legitimität der Schlapphüte geführt. Und das gilt natürlich erst Recht für das Bespitzeln einer demokratischen Partei und seiner gewählten Abgeordneten.

linksfraktion.de vom 25. Januar 2013


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