Jan Korte, MdB (DIE LINKE) (www.jan-korte.de)

Gemeinsam gegen Corona? – Funktioniert nur mit den Menschen, nicht gegen sie

18.11.2020
Gemeinsam gegen Corona? – Funktioniert nur mit den Menschen, nicht gegen sie

Jeder Grundrechtseingriff bedarf der Debatte im Parlament, in der Öffentlichkeit. Es ist eine demokratische Grundsatzfrage, dass darüber nicht Regierungen alleine entscheiden dürfen. Debatte und Transparenz sind auch notwendig, um die Akzeptanz bei der überwältigenden Mehrheit, die sich solidarisch verhält, zu erhalten. Die Bevölkerung braucht eine Perspektive für die Zukunft und das Versprechen, dass der Staat nach der Pandemie krisenfest und besser aufgebaut wird, als zuvor.

Rede von Jan Korte zur Novelle des Bevölkerungsschutzgesetzes am 18.11.2020:

Jan Korte (DIE LINKE):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich zur Kritik am Gesetz komme, will ich schon noch mal eines deutlich sagen: Das ist kein Gesetz, das in die Diktatur führt. Wer das behauptet, verhöhnt die Opfer von Diktatur

(Beifall bei der LINKEN, der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und diejenigen, die gefoltert, geknechtet und ermordet wurden. So weit unten darf man nicht ankommen.

Meine Damen und Herren, nun zum Gesetz, das wir ablehnen werden. Denn - ich will das noch mal deutlich sagen - diese Bundesregierung hat den Sommer verpennt. Sie hätte Zeit gehabt, hier eine Analyse vorzulegen. Das hat sie nicht getan.

(Beifall bei der LINKEN)

Und ja, das Verfahren, Kollege Grosse-Brömer, ist zulässig. Politisch klug ist es in diesen Zeiten nicht. Der Bundestag ist, Frau Bundeskanzlerin, kein Bremsklotz, den man hier nach Gutdünken mal mit Anwesenheit beglücken kann oder nicht, sondern er ist zentral für die Meinungsfindung und für die Nachvollziehbarkeit der Pandemiebekämpfung, liebe Kolleginnen und Kollegen; um das klar zu sagen.

(Beifall bei der LINKEN und der FDP)

Die überwältigende Mehrheit der Menschen zeigt ja ein solidarisches Grundverhalten - jeden Tag, jedes Wochenende -, und ohne die wird es nicht laufen. Deswegen finde ich, dass - wenn man so will - fast schon monarchische Züge - nach den MPKs wird verkündet, was jetzt passiert - der Sache nicht angemessen sind. Damit verspielt man Akzeptanz, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ja, in der Tat, es gibt gute Verbesserungen, die Sie vorgelegt haben, beispielsweise dass die Gästelisten aus Restaurants natürlich nur zur Bekämpfung der Pandemie nutzbar gemacht werden dürfen; das ist richtig. Dass mehr Begründung eingefordert wird, ist richtig. Und auch, dass bundeseinheitliche Regelungen angestrebt werden, ist richtig.

Aber ich will es auf den Punkt bringen, warum man diesem Gesetz nicht zustimmen kann - das will ich ganz deutlich sagen -: Jeder Eingriff in die Grund- und Freiheitsrechte, die so bitter erkämpft worden sind, die so unser Fundament sind, auf dem wir uns hier streiten können, bedarf der Debatte und der Zustimmung oder der Ablehnung des Bundestages. Und genau das ist nicht vorgesehen.

(Beifall bei der LINKEN und der FDP)

Deswegen kann man dem nicht zustimmen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Es ist auch eine demokratische Grundsatzfrage, dass in einer Demokratie Regierungen niemals über solche massiven Eingriffe in die Grund- und Freiheitsrechte entscheiden dürfen. Das ist nicht zulässig. Das muss hier geschehen, wenn überhaupt und wenn es notwendig ist, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Uwe Kamann (fraktionslos))

Denn - das will ich schon sagen; Sie kennen die Debatten, Sie kennen auch die aktuellen Zahlen - die Akzeptanz sinkt. Wir müssen aufpassen, dass diese schreckliche Coronakrise, die schon so viele Tote gefordert hat, nicht zu einer schleichenden Demokratiekrise wird, liebe Kolleginnen und Kollegen. Dann hätten wir ein doppeltes Problem. Deswegen ist es entscheidend - das entspricht ja auch der Logik; sonst verstehen die Leute das doch nicht -, dass wir vor allen Maßnahmen und auch vor den Runden mit den Ministerpräsidenten hier eine Debatte - auch mit der Bundeskanzlerin - darüber führen, was Sie dort verhandeln und was Ihre Linie ist. Nur so geht es.

(Beifall bei der LINKEN und der FDP)

Danach hier mal vorbeizukommen und das mitzuteilen, kann doch nicht Ihr Ernst sein. So geht es auf jeden Fall nicht.

Was bewegt eigentlich die Menschen? Was stellt man fest, wenn man mit denen spricht? Wenn man morgens zur Kita geht, dann quatscht man mit den Eltern usw. usf. Was bewegt die Leute? Bewegen tut die Leute vor allem, ob die Maßnahmen, die in weiten Teilen natürlich auch richtig sind, eigentlich plausibel sind.

Nicht plausibel ist Folgendes: Es wird auf der einen Seite Kontaktbeschränkung gefordert und durchgesetzt, und gleichzeitig gibt es allen Ernstes verkaufsoffene Sonntage. Das versteht doch wirklich kein Mensch mehr da draußen.

(Beifall bei der LINKEN)

Kinder sollen nur noch, so die Empfehlung, einen Freund treffen - mal gucken, wie eine Umsetzung überhaupt möglich ist -, und gleichzeitig sehen die Leute, dass die Kinder morgens mit 30 anderen Kindern zusammen in der Grundschule sitzen. Das ist doch nicht logisch, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Auch nicht verstanden wird, dass man ruck, zuck 9 Milliarden Euro für die Lufthansa zur Verfügung stellt, aber 0 Milliarden Euro für ein bundesweites Luftfilterprogramm für die Schulklassen. Das versteht kein Mensch, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN und der FDP sowie des Abg. Uwe Kamann (fraktionslos))

Ich will auch eines sagen: Ein Ziel in den nächsten Tagen muss doch sein, dass jeder Schüler, jeder Lehrer, jede Pflegekraft so schnell einen Test und ein Testergebnis bekommt wie jeder Bundesligaspieler. Das müsste Ihre Aufgabe in dieser Woche sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte noch eine Anmerkung machen. In diesen wirklich schwierigen und schlimmen Zeiten, die uns ja auch Sorgen machen, wo man mit den Leuten spricht, die viel Angst haben, wie das weitergeht, muss man mal daran erinnern, was Leute auf sich nehmen: Leute nehmen von ihren wenigen Urlaubstagen freiwillig Urlaub, um eine Woche in Quarantäne zu gehen, damit sie ihre Eltern und Großeltern treffen dürfen.

Das, was Sie völlig verpennt haben - um das deutlich zu sagen -, ist - und das wäre verantwortungsvoll gewesen -, eine Zukunftsskizze, hier einmal eine Perspektive für die Zeit nach der Pandemie vorzustellen.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Staat pfiff schon aus dem letzten Loch vor der Pandemie. Ministerpräsident Haseloff, in Sachsen-Anhalt gab es schon vor der Pandemie 2 000 Lehrer zu wenig - schon vor der Pandemie! Jetzt wäre es doch mal eine Zusage, umgehend die Kommerzialisierung des Gesundheitswesens zu beenden,

(Beifall bei der LINKEN)

umgehend eine Entprivatisierung der Krankenhäuser anzugehen. Die Marktlogik muss raus aus unserer Gesellschaft, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wenn man mit den Leuten spricht, fragen sie natürlich auch: Wer bezahlt das alles? Das ist ja eine berechtigte Frage. In der Regel ist es so, dass, wenn man fragt: „Was denkt ihr denn, wer das bezahlt?“, mittlerweile die resignierte Antwort kommt: Es wird so sein wie immer; wir kleinen Leute werden es bezahlen. - Deswegen wäre es ein richtiges Zeichen, hier im Bundestag endlich für die Milliardäre in diesem Land eine Vermögensabgabe zu beschließen, damit es nicht so läuft wie immer, liebe Kolleginnen und Kollegen,

(Beifall bei der LINKEN)

und das Versprechen abzugeben, dass nach der Bundestagswahl und nach der Pandemie der Sozialstaat nicht weiter abgerissen wird, sondern dass er - im Gegenteil - gestärkt wird, weil er Menschen Sicherheit gibt. Wenn man das beherzigen würde, dann hätte man größere Akzeptanz. Dann würde man die Leute einladen, für eine bessere Zukunft zu arbeiten und bei der Bekämpfung der Pandemie mitzumachen, und dann hätte man eine Chance auf einen solidarischere,

(Uwe Witt (AfD): In der DDR!)

eine gerechtere und eine viel lebenswertere Gesellschaft nach der Pandemie. Vielleicht könnte man so eine neue Zeit des Gemeinsamen hinbekommen. Das wäre angemessen.

Vielen Dank.

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