Jan Korte, MdB (DIE LINKE) (www.jan-korte.de)

»Widerstand ist unteilbar«

08.05.2008

In seiner Bundestagsrede fordert Jan Korte eine Änderung des Bundesentschädigungsgesetzes. Damit soll das Ziel erreicht werden, dass auch solche Opfer des Nationalsozialismus in den Genuss von Entschädigung kommen, die Kommunistinnen und Kommunisten waren.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte deutlich sagen: Wenn es um die Anerkennung der Opfer des Nationalsozialismus geht, sollte man einmal zurückblicken, um zu erfahren, wie lange es gedauert hat, bis zum Beispiel die Opfer des 20. Juli überhaupt als Widerständler anerkannt wurden.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie können doch nicht allen Ernstes behaupten, in der Geschichte der Bundesrepublik habe es eine Gedenkkultur gegeben, bei der insbesondere der Opfer der Arbeiterbewegung gedacht worden sei. Solch eine Position können Sie nicht allen Ernstes in diesem Hause vertreten.
Ich möchte daran erinnern, dass Bundestagspräsident Lammert bei der Gedenkstunde zum Jahrestag der Machtergreifung richtigerweise darauf hingewiesen hat, dass Kommunistinnen und Kommunisten die Ersten gewesen sind, die in die Konzentrationslager gewandert sind. Sie waren die Allerersten, die einen unerträglich hohen Blutzoll gezahlt haben.

(Maik Reichel (SPD): Das bestreitet auch keiner! - Günter Baumann (CDU/CSU): Das hat mit dem Antrag nichts zu tun!)

Ich verstehe nicht, wie man hier in der Diskussion einen gesellschaftlichen Kontext einfach verschweigen kann: Während des Kalten Krieges herrschte in der Bundesrepublik ein quasi staatsreligiöser Antikommunismus. Damals stellte es schon eine Handlung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung dar, wenn ein Turnverein aus der Bundesrepublik einen Turnverein in der DDR besucht hat; selbst das wurde in dieser Zeit verfolgt. Man muss verdeutlichen, welche Verhältnisse hier damals geherrscht haben.

(Holger Haibach (CDU/CSU): So ein Quatsch! - Dr. Martina Krogmann (CDU/CSU): Nicht zu fassen!)

Im Bundesentschädigungsgesetz darum geht es hier; es wurde heute exakt daran vorbei geredet ist von einer »Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts« die Rede; es diene der »Anerkennung der Tatsache« so steht es in der Präambel , dass der »geleistete Widerstand ein Verdienst um das Wohl des Deutschen Volkes und des Staates war«.

Der Rechtswissenschaftler Alexander von Brünneck hat dezidiert nachgewiesen, dass ganz viele Leute nicht unter die Regelungen des BEG gefallen sind bzw. ihre Wiedergutmachungsleistungen das ist der eigentliche Skandal zurückzahlen mussten. Man muss sich einmal klarmachen, was das bedeutet: Kommunistinnen und Kommunisten, die zum Teil von 1933 bis 1945 im Konzentrationslager gewesen sind, sollten später die erhaltene Entschädigungsleistung zurückzahlen.

Wenn wir hier über Opfer reden, darf man die damaligen Täter nicht vergessen man sollte deutlich darüber reden : 80 Prozent derer, die an bundesdeutschen Gerichten über Kommunistinnen und Kommunisten geurteilt haben, waren ehemalige Nazis.

(Beifall bei der LINKEN)

Es wäre schön, wenn wir auch darüber einmal diskutieren würden. Ich will noch einmal deutlich sagen: Es ist geradezu absurd das muss man sich einmal vorstellen , dass damals den Menschen, die für erlittenes Unrecht entschädigt wurden, die Entschädigung aberkannt wurde. Zugleich haben die hohen Funktionsträger, die Eliten des Nationalsozialismus üppigste Staatspensionen bis zu ihrem Tod kassiert. Man muss das einmal gegenüberstellen, um zu verdeutlichen, was hier in der Bundesrepublik abgelaufen ist. Wir dürfen nämlich, wenn wir über Opfer reden, die Täter nicht aus ihrer Verantwortung entlassen.

Herr Baumann, Sie haben in erster Lesung heute noch einmal gesagt: »Die Opfer, die sie in ihrem Antrag ansprechen, sind gerade keine Opfer einer Diktatur.«

Das schlägt dem Fass wirklich den Boden aus. Wollen Sie allen Ernstes aufrechterhalten, dass diejenigen, die 1933 in die Konzentrationslager gegangen sind, keine Opfer sind? Ist das Ihre Position? Das kann doch wohl nicht wahr sein. Der Widerstand ist unteilbar; das ist eine Lehre aus der Geschichte.

(Holger Haibach (CDU/CSU): Darum geht es doch gar nicht!)

Deshalb fordere ich Sie auf, das zurückzunehmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte letzte eine Anmerkung an die Reihen der Union machen. Sie reden über die Aufarbeitung der Vergangenheit der DDR und des dort geschehenen Unrechts. Wir befassen uns seit 1990 kritisch und ausführlich damit.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich habe bisher von keiner Tagung der Union weder bei der Konrad-Adenauer-Stiftung noch bei Ihnen gehört, bei der Sie sich damit auseinandergesetzt haben, was es mit Leuten wie Globke, Oberländer und anderen Leuten auf sich hat, die die Politik der Union in der frühen Bundesrepublik maßgeblich bestimmt haben. Vielleicht können Sie einmal damit beginnen.

(Beifall bei der LINKEN - Reinhard Grindel (CDU/CSU): Ehrenvorsitzende wie Modrow und andere waren sie jedenfalls nicht!)

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