"Weit mehr als Hitlers »Frontschwein«"
Generalmajor Walter Gericke genießt in der Bundeswehr große Anerkennung. Das Stabsgebäude der zentralen Ausbildungsstätte der Fallschirmtruppe in Altenstadt ist nach ihm benannt. Und das überrascht. Denn Gericke war nicht nur als Bataillonskommandeur der Fallschirmjäger der Wehrmacht an der Luftlandeschlacht um Kreta während des Zweiten Weltkriegs beteiligt, sondern verfasste auch eine Reihe von propagandistischen Schriften, in denen er beispielsweise schrieb, „die stolzeste Erinnerung für alle Zeit bleibt aber jener Empfang beim Führer in seinem Hauptquartier. Er war für uns und damit für alle Kämpfer von Kreta höchste Anerkennung. […] Getreu dem Befehl des Führers tragen wir die Fahne voran, im unerschütterlichen Glauben an unsere heiligste Aufgabe, das ist ‚Deutschland‘.“ (Walter Gericke, Von Malemes bis Chania. Kampf und Sieg des Sturmregiments, Berlin 1943, S. 144)
Jan Korte fragte deshalb die Bundesregierung, inwieweit die anhaltende positive Bezugnahme auf Gericke mit dem neuen Traditionserlass der Bundeswehr vereinbar sei. Die Antwort: Gericke sei ein „Angehöriger der Aufbaugeneration der Bundeswehr, die aufgrund der persönlichen Erfahrung des Missbrauchs militärischer Macht den Aufbau demokratischer Streitkräfte bewusst und gezielt einleitete, verwirklichte und verantwortete.“ Ferner sei es „das Verdienst der Gründergeneration die Achtung und Wahrung der Grundrechte des Menschen zum ethischen Fundament des Dienstes in der Bundeswehr gemacht zu haben." Und deshalb hätte das schon seine Richtigkeit.
Am Ende kommt dann aber immerhin noch diese Info: "Ein Gutachten zu GenMaj a.D. Walter Gericke ist beim Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) in Potsdam bereits in Auftrag gegeben." Nun ja, man darf gespannt sein, was dabei herauskommt.
Die Antwort von Thomas Hitschler, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium der Verteidigung, kommentiert Jan Korte so:
„Solange überzeugte Nazis und Wehrmachtsangehörige vom Schlage eines Walter Gericke für Bundesregierung und Bundeswehr traditionswürdig sind, solange braucht sich niemand über rechtsextreme Tendenzen und Strukturen in der Truppe zu wundern. Jahrelang ist bekannt, dass Gericke ein glühender Hitler-Verehrer war. Und jahrelang ist auch bekannt, dass er in seinen Schriften über die "Heldentaten" der Fallschirmjäger auf Kreta, zu denen eben auch das Massaker von Kondomari zählt, bei dem Gerickes Einheit am 2. Juni 1941 mindestens 23 Dorfbewohner ermordete, während und nach dem Krieg massive Wehrmachtspropaganda machte. Und bis heute sind das alles keine Gründe, um so einem Typen die Traditionswürdigkeit abzuerkennen. Unfassbar.“
Über die Antwort berichtete auch René Heilig in neues deutschland:
"Weit mehr als Hitlers »Frontschwein«" (nd vom 14.8.2022)